Sonntag, 30. März 2014

Abschied von Rafz


Schritt für Schritt verabschieden wir uns von den Menschen und der gewohnten Umgebung. Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf unseren grossen Abschied (vergleiche dazu den Post vom 26. März 2014). Loslassen ist eine gute Übung. Die 23 kg Gepäck sind verglichen mit den Habseligkeiten manch anderer Menschen ja immer noch viel.
Wir wurden mit Gebet und süssen Berlinern und noch süsseren "Rafzerli" in unserer Gemeinde verabschiedet. Danke allen für die guten Wünsche. Es ist schön, euch als Freunde zu haben.

Wünsch euch ne absolut fantastische Zeit - genießt den Flair - und unbedingt abends in die Hackchen Höfe gehen oder Oranienburger Straße - hat coole locations dort und natürlich auch wie überall viele Menschen, die auf der Suche sind! Steffi

Leider sind wir am Aussendungs-Gottesdienst nicht anwesend, deshalb möchten wir Euch per Mail "Bhüett Eu Gott" sagen. Wir wünschen Euch in Berlin eine gute, spannende, erlebnisreiche und gesegnete Zeit. Wir hoffen, dass Ihr viele neue Bekanntschaften machen dürft und Euch Eure neuen Aufgaben Freude machen. Wir wünschen Euch Gottes reichen Segen. Brigitte und Chil

Da ich morgen nicht in der EFRA sein kann, verabschiede ich mich von euch auf diese Weise. Elisabeth und ich sind morgen in Seon zur Einweihung des neuen Begegnungszentrums. Euch wünsche ich in den kommenden Wochen einmal den nötigen Abstand von der Arbeit hier und dann auch manche neue Ideen und Inspirationen für den spätere Wiedereinstieg in Rafz. Ruedi

Hier die passende Musik: http://www.youtube.com/watch?v=7NWTTy_mdeQ

Samstag, 29. März 2014

Lasst mich's scheinen

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.
Kurt Marti

Irren im Suchen muss erlaubt sein. Wir sind nicht perfekt und wir werden es vorläufig auch nicht sein.
Wenn Goethe gesagt hat Lasst mich’s scheinen, dass ich’s werde!, hat er das (im gleichnamigen Lied) in Verbindung mit Sterben, Tod und Ewigkeit gemeint. Aber wie wäre es, wenn wir diesen Gedanken auch auf das Hier und Jetzt beziehen könnten? Darf ich mal scheinen ohne es zu sein? Aber doch mit der Absicht es zu werden! Im Lernprozess spiele ich doch oft mal was vor, bevor ich es dann erst werde und bin. Der Mechanikerlehrling trägt seine Überkleider oft viel stolzer, als der altgediente Mech, der wirklich Mechaniker ist.
So relativiere ich die Beurteilung, dass ich „Wasser predige und Wein trinke“. Sicher, machen das einige Menschen (vor allem Führungspersonen) auch ganz egoistisch und destruktiv. Aber es gibt eben auch den positiven Sachverhalt, indem ich vorläufig noch Wein trinke (trinken muss) und aber Wasser predige (predigen muss). Mit der Absicht dann auch (vielleicht doch gerade zusammen mit Euch) Wasser zu trinken. Ich fordere also verbal etwas, das ich (noch) nicht (ganz) lebe. Das kann man als heuchlerisch, lügenhaft und unglaubwürdig bezeichnen. Aber es kann auch ein nötiges Stück auf dem Weg des Lernprozesses sein.
Es ist dem Leben nicht dienlich, wenn wir immer nur das was vor Augen ist beurteilen und als definitives Ergebnis sehen. Alles ist doch vorläufig. Das was kommt, muss auch wieder eine Chance bekommen. So will ich dem Andern (und auch mir) zugestehen, dass wir uns verändern dürfen. G. Shaw: Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Mass, wenn er mich trifft. Im Gegensatz zu so vielen Menschen, die immer wieder die alten Massstäbe an mir anlegen, in der Meinung, sie passten noch heute.

Freitag, 28. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 13

Miteinander
Gemeinsam, zusammen, miteinander, so ist der Herzschlag Gottes erst richtig wahrzunehmen. Zwar beginnt der Glaube im individuellen, persönlichen Geben und Nehmen von Dir und Gott. Aber gerade Deine persönliche Beziehung zu Gott stellt Dich auch gleich in die Gemeinschaft der Gläubigen. Es gibt kein Leben als Christ ohne die andern Christen. Das muss schon zu Deinem Schutz vor Irrwegen so sein. Aber auch Deine Möglichkeiten, Deine Fähigkeiten, Deine Begabungen sind beschränkt und bedürfen der Ergänzung durch die Andern. Die biblischen Bilder der Gemeinde wollen wir vor Augen haben: Lebendige Steine zu einem Bau zusammengefügt, in dem Jesus Christus der Eckstein ist, das ist der neue Tempel in dem Gott wohnt. Der Leib mit seinen vielen Gliedern und dem Haupt Jesus Christus und wenn da ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit. Gottes Volk, er der König, wir die Erben. Gottes Familie, er der Vater, wir die Kinder. Jesus der Weinstock, wir die Reben, die den Saft und die Kraft von ihm bekommen, um gute Frucht zu bringen. Jesus der gute Hirte, wir die bedürftigen Schafe und wir hören seine Stimme.
In der Gemeinde gibt es nicht einen Priester und einen König und einen lebendigen Stein (1. Petrus 2), sondern es gibt davon so viele, wie’s Menschen in der Gemeinde gibt.
Indem wir miteinander Leben teilen – also geben und nehmen – lernen wir Gottes Herzschlag immer besser kennen. Gemeinsam unterwegs sein, stellt uns vor viele, auch unangenehme, Herausforderungen. Leider leben wir in einem gesellschaftlichen Umfeld, das das individuelle Verhalten mehr fördert als das gemeinschaftliche. Wir sind immer weniger gezwungen, miteinander auszukommen, geschweige denn miteinander vorwärts zu gehen. Da haben wir Christen eine andere Richtung einzuschlagen. Denn Gottes Herzschlag ist anders. Im hohepriesterlichen Gebet von Jesus (Johannes 17) erfahren wir den Herzschlag Gottes: Sein Herzenswunsch ist, dass wir Christen eins sind – in Gott und zueinander.

Donnerstag, 27. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 12

Identität
Gottes Herz schlägt für mich. Er hat mich erwählt und berufen. Es ist ganz seine Erwählung. Sie ist ganz für mich. Und das unabhängig von meinem Vermögen, Leistung oder Fähigkeiten. Und das auch ganz unabhängig vom Vergleich zu andern Menschen. Ich darf, kann und soll das ganz für mich in Anspruch nehmen – als Zuspruch Gottes.
Zu was bin ich erwählt und berufen? Zu seinem Kind. Zum Erben seines Reiches. Zur königlichen Priesterschaft (1. Petrus 2,9).
Dabei ist der Königsbegriff zu füllen mit: Alle Macht, Sieger, Herrschaft. Jesus als Vorbild-König: Mit der Dornenkrone, ohne Prunk und Palast, in Armut und Hingabe zu Gott und zum Nächsten, als Diener und Gewaltloser.
Dabei ist der Priesterbegriff zu füllen mit: Priester als Brückenbauer (Pontifex) zwischen Gott und den Menschen (dabei hüte man sich vor dem Trugschluss, dass er die Brücke sei).
Und es ist weiter zu lesen bei 1. Petrus 2,11ff: Ich bin zugleich Fremdling und Pilger auf dieser Erde bei den Heiden und habe mich in die menschliche Ordnung einzufügen. Da haben Heimatgefühle, Nationalismus, Vaterlandliebe, Stolz ein Schweizer zu sein, nur noch wenig Platz. Meine Heimat ist das Reich Gottes, mein Vaterland ist das Land meines himmlischen Vaters, die Schweiz ist ein menschliches Gebilde, eine Krücke um mit oder ohne Gott einigermassen zusammen leben zu können. Ich habe meine Heimat im Himmel und die Füsse fest auf dem Boden. Und für diesen Boden schlägt Gottes Herz: Er soll Himmel werden.

Mittwoch, 26. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 11

Trauernde
Trauer entsteht durch Verlust. Verlieren kann man fast alles – klassisch ist die Trauer nach Verlust eines Menschen. Hier sind die Emotionen meist auch so stark, weil menschliche Beziehungen so tragend und elementar für das Leben sind.
Zuerst ist daran zu denken, dass Trauer Zeit braucht. Wir neigen dazu, Traurigkeit, Trauergefühle, Abschiedsschmerz, diese Leere nach einem Verlust, nicht zuzulassen, sie so schnell wie möglich weg zu haben. Wir verdrängen sie, lenken uns ab, weichen aus und überspielen die Trauer.
Den Trauernden in dieser Hinsicht zu begleiten wäre: Sagen, dass das jetzt sein darf, ja, sein muss. Dann oft auch einfach still da zu sein. Betend warten.
Trauer offenbart auch immer, worauf ich mein Leben gebaut habe. Falle ich nach einem Verlust in mich zusammen, war der oder das, wonach ich jetzt trauere mein Fundament. Somit lohnt es sich, sein Lebensfundament auf etwas zu bauen, das nicht stirbt. Und das ist Jesus Christus. „Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14,19). „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ (Johannes 11,25f). Jesus Christus hat den Tod überwunden. Er ist das ewige Fundament. Leben über das hier und jetzt hinaus.
Er ist auch der Zufluchtsort für den Trauernden, wenn dieser bis dahin noch nicht sein Leben auf ihn gebaut hatte. Was macht denn Jesus?
Er stellt dich auf eine weite Ebene, öffnet dir den Horizont. Du siehst, dass das was bisher war, da in dieser Ecke des Lebens sich tummelte. Jetzt aber geht es weiter. Neues entfaltet sich vor und mit dir. War das Samenkorn bis dahin klein im Dunkel der Erde, wächst es jetzt zu einer neuen Pflanze. Streckt sich aus zum Licht, zieht Nahrung aus dem Boden und wird Früchte tragen.
Nach der Zeit der Trauer kommt neuer Mut und frische Hoffnung. Ja, das Leben geht weiter – anders aber auch gut.
Eine gute Übung, die ich manchmal mache: Ich schaue um mich und werde mir bewusst, dass das auch noch sein wird, wenn ich nicht mehr da bin: Dieser Stein wird immer noch da liegen. Diese Vogelstimmen werden immer noch singen. Dieser Duft des Frühlings wird immer noch sein. Dieser Weg wird immer noch begangen. Dieser Berg wird immer noch bestiegen. Einfach ohne mich.

Dienstag, 25. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 10

Der Tempelreiniger
War Jesus auch unbarmherzig? In zwei Situationen könnte man es meinen: Bei der Tempelreinigung, als er die Händler handgreiflich aus dem Tempel jagte (Johannes 2,13-17) und im Umgang mit den Schriftgelehrten und Pharisäern (Matthäus 23,13-33). Genährt wird diese Ansicht von der Aussage „Liebe sagt und tut die Wahrheit“ und „widersteht dem Bösen“ (dabei massen wir uns oft zu schnell an, zu wissen, was gut und böse ist!). Man kann nicht sagen, dass diese Handlungen/Einstellungen von Jesus seiner Barmherzigkeit widersprachen. Sie waren angepasst, wie nur Gott etwas angepasst machen kann, sie waren nicht bezeichnend für die Haltung von Jesus und sie waren im Vergleich zu seinen barmherzigen Taten gar selten.
Es gibt keinen Grund diese, von uns als hart und unbarmherzig beurteilten Handlungen Jesu, als die wesentlichen Wesenszüge von Jesus zu gewichten. Im Gegenteil: Das Verhältnis von Gnade und Vergeltung (manche setzen das mit Liebe und Wahrheit gleich) ist 365:1 (Jesaja 61,2). Und dabei ist der Fokus immer auf die Liebe, Gnade und Barmherzigkeit gelegt. Das sollte uns wegweisend als Handlungsanweisung und Massstab dienen.

Freitag, 21. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 9

Gefangene
„Wenn euch der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ (Johannes 8,36)
Sicher ist da zuerst „Freiheit vom Gesetz“ gemeint. Das war denn auch die grosse Gebundenheit des Volkes Gottes: Gefangen im Gesetz. Und dieses Gefängnis produzierte laufend Versager, Sünder, Heuchler und überhebliche Rechtgläubige. Es war ein Joch unter dessen Last die Menschen litten. Dem Leben diente es nicht. Und es stellte sich heraus, dass die Menschen mit dem Einhalten des Gesetzes nicht Gott und den Nächsten lieben konnten. Sie mussten (und müssen) zuerst von dem Joch befreit werden. Diese Freiheit bringt Jesus Christus. Und aus dieser Freiheit, in der Gebundenheit an Christus, kann der Mensch erst Gott und den Nächsten lieben. Solchen gilt nun „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Galater 5,1)
Es gibt noch andere Gefängnisse. Wir können gebunden oder gefesselt sein in Sucht, Abhängigkeiten, Gedankengebäuden, Belastungen, Sünde, Geiz und Ehrgeiz, Gier und Geldgier, Verstrickungen, Erfahrungen, Handlungsmuster, Angst, unbewältigte Vergangenheit, Erwartungen,… Da muss oft ein Weg gegangen werden um frei zu werden. Da braucht es Einsicht, Lernen, Persönlichkeitsentwicklung, Gespräche, Fremdbeurteilung, Reflexion und manche andere menschliche Hilfe. Über all dem aber wird der Befreiungsruf wirksam: „Du bist frei im Namen Jesu!“ Der muss gesagt und gehört werden.

Donnerstag, 20. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 8

Zerbrochene Herzen
Vorweg spricht Gott zu Hesekiel: „Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.“ (Hesekiel 36,26)
Nur harte, steinerne Herzen können zerbrechen. Weiche, fleischerne nicht. Aber das ist nur Theorie. Denn auch Menschen mit einem von Gott neu gemachtem Herzen, das eben nicht mehr steinern, sondern fleischern ist, kann das Herz zerbrechen. „Ihm brach das Herz, als er diese Not sah.“ So spricht einer mit einem von Gott weich gemachten Herzen.
Wir sprechen oft im Zusammenhang mit Liebeskummer von zerbrochenen Herzen. Das ist aber nur einer von vielen Ursachen.
Schwere emotionale Belastungen wie z.B. miterleben eines Todesfalls, eines Überfalls, eines Unfalls kann krankhafte körperliche Auswirkungen auf das Herz haben. Da spricht die Medizin sogar von einem „gebrochenen Herzen“. Wird jemand, der ein von Gottes Barmherzigkeit sensibilisiertes Herz hat, mit menschlicher Not konfrontiert, wird dessen Herz angeschlagen und kann dann auch zerbrechen.
Herzen zerbrechen, doch in Psalm 34 wird uns gesagt: „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“
Man kann zerbrochene Herzen nicht operieren, also zusammennähen. Man kann zerbrochene Herzen verbinden. Da geht der Heilungsprozess unter dem Verband länger. Aber das Herz kann wieder zusammenwachsen und ganz werden. Der Verbandstoff ist die Nähe des Herrn. Von ihm umschlungen, „verbandet!“, wird unser Zerbruch wieder heil.
Dann stelle ich mir vor, dass für manche Menschen es nur diesen Weg noch gibt: Dass ihre steinernen Herzen zerbrechen, damit ihnen Gott nahe kommen kann und so ihr Herz verändern kann.

Mittwoch, 19. März 2014

Gottes Herzschlag Nr. 7

Der Elende
Er liegt da
jämmerlich, trostlos, verletzt, heruntergekommen, niedergeschlagen, armselig, schwach.
Es ist ihm hundeelend.
Das Elend steht ihm bis zum Hals.
Er droht im Elend
unterzugehen, zu ersticken, zu verhungern, zu Grunde zu gehen, umzukommen.
Er ist wie der, der unter die Räuber geraten ist und halbtot liegen geblieben ist.

Diesem soll geholfen werden. Er soll die Barmherzigkeit Gottes erfahren, indem ihm die gute Botschaft, das Evangelium, verkündet wird (nach Jesaja 61,1).
Ist da nicht schon ein Hinweis versteckt, dass es dem Elenden so elend ist, weil er ohne Gott dem Ende zu geht? Das Elend der Gottlosigkeit würde sich ändern, wenn er die gute Botschaft hörte und verinnerlichte.
Des Weiteren denke ich, dass „verkündigen“ nicht nur ein Weitersagen von Worten ist, sondern auch Taten sind. Mit guter Tat kann gute Botschaft weitergegeben werden. So sind dem Elenden wohl kaum nur Worte, sondern auch Taten anzutun.

Dienstag, 18. März 2014

Herzschlag Gottes Nr. 6

In Jesus Gottes Herzschlag sehen
Wenn wir Jesus Christus begegnen, begegnen wir dem Herzschlag Gottes. In Jesus ist dieser Herzschlag verkörpert, sichtbar, hörbar. Da, bei ihm, ist er auch zu adaptieren.
Ja, der Begriff „Herzschlag Gottes“ ist ein Synonym für „Heiliger Geist“. So ist denn auch der erste Vers von Jesaja 61 entscheidend: „Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil mich der Herr gesalbt hat.“ Das ist die Voraussetzung um das Folgende zu hören und dem auch nachzukommen: Als Gesendeter (Missionar) Elenden gute Nachricht zu verkünden, zerbrochene Herzen zu verbinden, Gefangenen die Freiheit zu verkünden, Gebundene loszubinden und Traurige zu trösten.
Diese Jesajaworte treffen zuerst einmal auf Jesus zu. Im Lukasevangelium, Kapitel 4 sagt Jesus, dass er der ist, der diese Worte erfüllt. Interessant ist hier der Kontext. Jesus steht am Anfang seines öffentlichen Wirkens. Gerade hat er den Versuchungen des Teufels widerstanden: Er ist nicht da, um aus Steinen Brot zu machen, er will nicht herrschen über alle Reiche dieser Welt, er verlangt nicht nach den Engeln, die ihn vor dem Sturz bewahren würden. Vielmehr ist er gekommen um den Herzschlag Gottes zu uns Menschen zu bringen: Im Heiligen Geist den bedürftigen Menschen zu helfen. Gottes Barmherzigkeit in Wort und Tat bei uns Menschen wirksam werden zu lassen.
So treffen diese Jesajaworte nun auch auf uns zu, die wir Jesus nachfolgen (wollen). Denn da gilt ein weiteres Jesuswort: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ (Johannes 20,21)

Montag, 17. März 2014

Herzschlag Gottes Nr. 5

Vom Herz zur Hand
Die christliche Motivation des Helfens kommt von Gottes Herzschlag. Gottes Herz schlägt für uns Menschen. Sein Herz ist voller Liebe, Engagement, guten Gedanken, hoffnungsvoller Sicht und lebensgetränktem Wollen für uns Menschen. Wenn ein Mensch nah bei Gott ist, sein Ohr an Gottes Herz hat, diesen Pulsschlag hört und das auf sich wirken lässt, erfährt dieser Mensch mehr und mehr von Gottes Absicht und Willen. Er gleicht sich ihm an. Sein menschliches Herz wird so erneuert. Da beginnt dieser Mensch sich auch für das zu interessieren, was Gott interessiert.
Der Weg zur christlichen Motivation des Helfens ist also nicht, dass man die Not und Probleme erkennt und daraus mit Gottes Hilfe Abhilfe schafft, sondern zuerst soll der Mensch, unabhängig von seiner Situation zu Gott gehen, an seine Brust sein Ohr legen und Gottes Herzschlag in sich aufnehmen. Daraus entstehen dann konkrete Taten hinein in unsern Alltag. Denn Not und Probleme sind immer schon da und zwar immer auch zuviel. Es ist also gar nicht sinnvoll, sondern nur zermürbend und nicht nachhaltig, wenn wir ohne die christliche Motivation helfen wollen.

Samstag, 15. März 2014

Herzschlag Gottes Nr. 4

Hindernisse den Herzschlag Gottes wahrzunehmen
In der Geschichte des barmherzigen Samariters ist es der Samariter, der den Herzschlag Gottes hört und sein Herz nun auch so schlagen lässt: Barmherzig.
Da gibt es aber auch die beiden Typen, die am Notleidenden vorübergehen. Niemand von uns sollte so überheblich sein, dass er sagt, so sei er nicht. Jeder von uns geht ab und zu an einem Notleidenden einfach vorüber. Das mag auch an unserer Situation liegen: Wir gehen nicht auf einem Weg in der Wüste, wo uns nur selten ein Mensch begegnet. Wir gehen auf einem Weg, auf dem wir uns oft regelrecht vor den Begegnungen mit Menschen schützen müssen, weil es so viele sind. Das mag ein Grund unserer Unaufmerksamkeit sein. Aber es gibt eben auch folgende Gründe, denen wir im Einklang mit dem Herzschlag Gottes entgegentreten sollten:
Unser Egoismus – es gibt zuerst nur mich und dann gibt es lange auch nur mich.
Unsere Oberflächlichkeit – wenn ich über das Ganze schaue, geht es uns doch recht gut, ich weiss nicht, was du da für eine Sache daraus machst.
Unsere Bequemlichkeit – mein Weg ist der, des geringsten Widerstandes. Beim Helfen muss ich mich bewegen, muss ich etwas geben, das braucht Zeit und Geld und Nerven – das lass ich lieber sein.
Unsere Gleichgültigkeit – es gibt so viel Leid auf dieser Welt, da gehört das wohl einfach dazu. Mit dem muss man leben lernen.
Unsere Gesetzlichkeit – würde jeder so leben, wie’s sich gehört (also so wie ich), dann wäre dieses Leid nicht da.
Unsere weiteren Ausreden – mein Zeitmanagement lässt es nicht zu, mein Budget lässt es nicht zu, meine Gesundheit lässt es nicht zu, es gibt Andere, die da besser helfen können. Es ist eh besser, wenn Profis helfen. Es gibt ja zum Glück entsprechende Hilfseinrichtungen.
Es braucht nur eine dieser Ausreden und du wirst dich nicht um den Notleidenden kümmern. Du wirst vorübergehen und den „schönen“ Gottesdienst besuchen. Du wirst deinen Blick von diesem Elenden aufheben, hinauf nach Jerusalem, zu den herrlichen Mauern mit ihren Zinnen und dem hocherhobenen Tempel.

Freitag, 14. März 2014

Herzschlag Gottes Nr. 3

Gott lässt uns in sein Herz schauen
Wir lernen, aufmerksam zu werden, uns zu Herzen zu nehmen, was Gott uns sagt. Wir sind voller Erwartung darauf, was Gott in uns bewegen wird. Darum beten wir wie Samuel: “Herr rede, denn dein Knecht hört“ (1.Samuel 3,10).
Trotz der vielen alltäglichen Arbeit und dem Lärm unserer Zeit wollen wir uns Zeit nehmen, Gott zu verstehen.
Vielleicht redet Gott zu uns so wie bei Samuel in einer schlaflosen Nacht, aber wahrscheinlich werden wir seine Stimme dann besonders hören, wenn wir Zeit reservieren zum Nachdenken und Lesen von Bibeltexten. Ein Spaziergang im Wald oder ein ruhiger Platz in einem Zimmer kann dazu dienen, uns dem Reden Gottes auszusetzen und von ihm und seinem Geist berührt zu werden, so wie dies die deutsche Ärztin und Benediktinerin Kyrilla Spiecker (1916-2008) erlebt hat: „Wenn du lange genug Dein Ohr an Gottes Wort hast, kannst du sein Herz schlagen hören.“
Wir brauchen dazu Geduld, Vertrauen und die Sehnsucht nach seiner göttlichen Liebe. Gott hat uns viel zu sagen und er will uns sein Herz öffnen, aber er ist nicht in Eile. Um unser Herz zu berühren, braucht es Zeit. Geben wir doch Gott immer wieder Zeiten des Hörens und der Stille, damit wir ihn besser erkennen und er unser Herz berühren kann.
Nach einer Predigt von Stefan Fuchser zur Herzschlag-Kampagne der Chrischona 2014.

Donnerstag, 13. März 2014

Herzschlag Gottes Nr. 2

Keine herzlose Pumpe
Im biblischen Verständnis ist das Herz das Innerste eines Menschen. Unser anatomisch-physiologisches Verständnis des Herzens, dass das die Pumpe für unseren Blutkreislauf ist, müssen wir etwas zurückstecken um in die andere Bedeutung eintauchen zu können, die die Bibel dem Herzen gibt: Es ist die Mitte der Person, das Zentrum der Gefühle. Das Herz kann hüpfen, sich freuen, sich verhärten oder stocken. Das Herz kann steinhart oder zartfleischig sein. Und auch der Verstand, ja das Denken – das, was wir gewöhnlich mit unserem Kopf und Gehirn verbinden, gründen demnach im Herzen. In ihm ist der Ursprung von allem was ich will, denke, wünsche, fühle. Da ist der Ursprung meiner Motivation.
Das Herz so verstanden, ist uns nur bedingt zugänglich. Manchmal lässt uns jemand in sein Herz schauen. Doch auch dann sehen wir nicht alles. Wir sehen was vor Augen ist und nur Gott sieht ins Herz.
Das Erstaunliche ist nun, dass Gott sich selber in sein Herz schauen lässt. Er sagt und zeigt uns, was er denkt, fühlt und möchte.

Mittwoch, 12. März 2014

Herzschlag Gottes Nr. 1

Gott hat ein Herz
Wir wissen, dass Gott nicht irgendeine unpersönliche Macht ist, sondern dass er uns nahe gekommen ist als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er hat sich so erniedrigt, dass wir ihn als Person erkennen können. Das ist die Botschaft von Weihnachten. Und dieser persönliche Gott hat ein Herz! Und dieses Herz ist spürbar. Es ist wohl klar, dass wir keine EKG-Elektroden auf Gottes Brust kleben um seinen Herzschlag zu sehen. Aber es ist auch klar, dass sein Herzschlag nicht überall einfach so gehört werden kann. Da müssen wir uns schon an seine Brust begeben, unser Ohr anlegen, still horchen und dann – ja, dann hören und erkennen wir seinen Herzschlag!
Das passt dann zur Jahreslosung 2014 der Herrenhuter Brüdergemeine: „Gott nahe sein ist mein Glück.“ Psalm 73,28, Gute Nachricht Bibel.

Sonntag, 9. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 9

Autorität
„Das traditionell autoritäre Verhalten in den Helfer-Institutionen hängt mit dem Helfer-Syndrom vielfältig zusammen. Autoritäres Verhalten muss von sachlicher Autorität unterschieden werden, die es im Zusammenhang mit Hilfeleistungen ebenso gibt wie in anderen Bereichen. Wer Sachautorität hat, kann sein Machtausübung (z.B. im Erteilen von Ratschlägen, im Deuten von Zusammenhängen, im Ausstellen eines ärztlichen Rezepts) rational begründen und sich einer offenen Diskussion stellen. Wer autoritär auftritt, verlangt ohne Diskussion, ohne jede Frage als Macht anerkannt zu werden. Er sieht in solchen Fragen einen Angriff auf seine Autorität und reagiert entsprechend abwehrend, beleidigt oder mit einer Gegenaggression.“ (S. 163f)
Seitenangaben zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Samstag, 8. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 8

In den Institutionen
Die Helfer unter sich haben Rivalität und Schadenfreude. In den Institutionen gibt es einen Wall von Vorschriften. Sie sind immer wieder Gelegenheit die „Guten“ und die „Schlechten“ auszumachen und zu sanktionieren. Es ist schwierig mit den Kollegen über seine Probleme, Ängste und Schwächen offen und ehrlich zu sprechen. Soziale Gefälle im Team erschweren ein offenes, hilfreiches Gespräch. So können Ärzte kaum je über ihre Schwierigkeiten in einem gemischten Team sprechen und wenn dann nur im Perfekt (damit können sie perfekt bleiben…).
Der Helfer-Syndrom-Helfer ist in seiner „Wahrnehmungsfähigkeit für Alternativen und für kreative Weiterentwicklungen des eigenen institutionellen Rahmens“ (S. 161) nicht fähig. Das bewirkt harte, gefühlslose, strenge und unmenschliche Handlungsweisen.
Eine wahre Feststellung: „Helfer-Institutionen sind häufig in ihrer Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt, weil sie von Bürokratie überwuchert werden. In einem Sozialamt wird der einzelne Sozialarbeiter in der Regel dafür belohnt, dass er keine Gelder unkontrolliert und unüberwacht ausgibt, während er für einfühlsame Zuwendung und rasche Hilfe – seine eigentlichen Aufgaben – keine institutionelle Belohnung zu erwarten hat, sondern allenfalls einen Rüffel wegen mangelhafter Aktenführung riskiert.“ (S. 162f)Das kann ich aus meinen Erfahrungen in der Institution Krankenhaus bestätigen. Dokumentationen (dank der Einführung von EDV häufig auch noch doppelspurig)für Statistik, Rechtfertigungen, Rechnungsstellung, Personalplanung, Bettenbelegungsorganisation, Bestellwesen, Fehleranalysen, Umfragen und Richtlinien verunmöglichen die zeitintensive, nötige und vom Patienten erwartete Ausübung der primären Pflegetätigkeit.
Seitenangaben zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Freitag, 7. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 7

Helfer untereinander
„Unter dem Deckmantel des Helfens werden die verschiedensten Motive, von der indirekten Aggression bis zum Ehrgeiz, befriedigt, wird Macht ausgeübt, aber nur das Beste der Schützlinge erwogen.“ (S. 140) So wird offenbar in Medizin, Psychiatrie, Sozialarbeit und Pädagogik nicht immer so „wissenschaftlich“ gearbeitet, wie es vorgegeben wird: „Besonders reich an Widersprüchen und dogmatischen Behauptungen ist die Nervenheilkunde.“ (S. 143) Meine Erfahrungen aus dem Pflegebereich und dem kirchlichen Bereich können das nur bestätigen. Auf der oberflächlichen Ebene des Richtig/Falsch, auf der dann oft noch vorgegeben wird, dass da rein sachlich argumentiert werde, spielen sich die oft kindlichen, aber schlecht zu durchschauenden, „Spiele der Erwachsenen“ (auch ein Buch, das ich noch lesen sollte) ab.
Der Helfer mit einem Helfer-Syndrom ist oft selbstgerecht. Er ist stark im „richtig“ und „falsch“ behaftet. Schmidbaur ortet die Ursache in der Überlebensstrategie „Identifizierung mit dem Über-Ich“, die dem abgelehnten Erwachsenenkind Halt „von oben“ gibt.
Der Helfer mit einem Helfer-Syndrom hat Schwierigkeiten sich nicht in Abhängigkeiten zu seinen Klienten zu begeben. „Die meisten Menschen, die Hilfe bei einem Angehörigen der helfenden Berufe suchen, sind in ihren sozialen Beziehungen gestört. Sie schliessen sich von anderen ab, suchen so aufdringlich Kontakte, dass sie immer wieder zurückgestossen werden, überfordern ihre Angehörigen und Freunde mit masslosen Ansprüchen. Jede gelingende Form sozialer Hilfe ist auch darauf angewiesen, zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern.“ (S. 150) Der Helfer-Syndrom-Helfer kann mit solchen Situationen schlecht umgehen: Er spaltet wenn möglich den Klienten von seinen andern Bezugspersonen ab und macht sich zum einzigen, wahren Helfer. „Der versteckte Allmachtanspruch des Helfers kann befriedigt werden, wenn er die wichtigste Person im Leben des Klienten wird.“ (S. 152)
Seitenangaben zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Donnerstag, 6. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 5

Schmidbaurs Horizont
Obschon sich Schmidbaur stark einseitig auf die Transaktionsanalyse stützt, vermag er den Horizont doch wieder zu weiten: „Grundsatz der Analyse ist die Annahme einer mehrfachen Determination, d.h. der Wunsch zu helfen kann neben sublimiertem Sadismus auch durch eine vorgegebene, nicht weiter ableitbare Hilfsbereitschaft, durch die Suche nach narzisstischer Bestätigung und durch eine verantwortungsvolle ethische Entscheidung motiviert sein. Keine dieser Motivationen schliesst die andere aus. Nur wenn sie alle zusammen in Betracht gezogen werden, kann das Verhalten des Helfers wirklich verstanden werden.“ (S.84). Das ist mir wichtig. Wenn es um die menschliche Seele geht, dürfen wir nicht in ein mechanisches Weltbild verfallen. Respektive, das uns so stark prägende mechanische Denken müssen wir aufgeben und einsehen, dass die Seele ein weitaus komplexeres Gebilde ist, als dass sie mit einer „Schule“, einer Theorie, einem System, Regeln oder Gesetzen zu kontrollieren, zu erfassen oder zu behandeln wäre.
Seitenangabe zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Mittwoch, 5. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 4

Christentum und helfende Berufe
Schmidbauer versucht sich in einer „Analyse der christlichen Religion und Sozialethik.“ Wobei er auch gleich einsichtig sagt, dass es ihm nicht möglich ist, die christliche Religion umfassend zu analysieren. (S.42)
Der erste Aspekt den Schmidbauer beleuchtet, ist die „Auffassung von der Erbsünde des Menschen. Der Mensch ist von Geburt an sündhaft, also schlecht, der Hölle verfallen, wenn er nicht durch die Gnadenmittel des Glaubens oder der Kirche errettet wird.“ Er sieht darin eine Parallele zum Kind, dem vermittelt wird, dass es noch nicht gut ist. Somit habe man ein dauerndes Schuldgefühl mit der Angst, zu versagen. „Das Gefühl, nicht wertvoll, nicht gut zu sein, wird vor allem durch Leistung bekämpft.“ Schmidbauer folgert daraus, dass hier die Motive für die „ausgeprägten kriegerischen Neigungen der christlichen Völker liegen. Dem kann ich nun nicht folgen. Zuerst widerspreche ich der Ansicht, dass die allgemein als "christlich" bezeichneten Völker mehr zu kriegerischen Handlungen neigen, als andere Völker. Dann liegt das Problem in der fehlenden Einsicht, dass es „christliche Völker“ bis dahin noch nicht gegeben hat. Sicher versuchte man immer wieder das Christentum (welches denn eigentlich?) als Leitkultur zu haben. Aber man hat kein Christentum ohne Christus. Und leider war und ist es noch immer so, dass die Menschen, die mit Jesus Christus wirklich verbunden sind, eine kleine, gesellschaftlich selten einflussreiche, Gruppe sind.
Die Idee, dass das Christentum die Industriekultur, den Fortschrittszwang, den Kolonialismus, das Wirtschaftswachstum und die Umweltzerstörung aus diesem „nicht genügen“ herbeigeführt habe, kann ich so auch nicht stehen lassen. Es ist wohl so, dass auf dem Hintergrund der christlichen Kultur solches wachsen konnte – aber injiziert wurde es von andern Kräften.
Der zweite Aspekt ist die Einsicht: „Das Christentum stellt ganz eindeutig altruistische Werte über egoistische.“ (S.43) Schmidbaur sagt: „Die Nächstenliebe wird gewissermassen auf dem Weg über den Selbsthass erreicht.“ (S.44). Das Zusammenwirken von Schuldgefühlen, Leistungsdenken und der Identifizierung mit der Gott befohlenen Nächstenliebe bewirkt ein wichtiges Stück der Dynamik des Helfer-Syndroms. (S.44).
Interessant Schmidbauers Bemerkung: “Die tätige Nächstenliebe, als Wahrnehmung der Interessen des Mitmenschen verstanden, darf im Bereich der körperlichen Versorgung wirken, während die seelische Hilfe den ethischen Normen der Religion vorbehalten bleibt.“ (S.45) „In der medizinischen Praxis selbst gilt das körperliche Leiden als seriös, der Kranke als schonungsbedürftig, des Mitleidens wert. Seelisch bedingte Störungen hingegen werden abgewertet, der Kranke erhält Aufforderungen, sich zusammenzunehmen, sich mehr anzustrengen, und büsst an sozialem Prestige ein.“ (S.45)
Für die Ärzte und für mich, der ich das auch kenne: „Die Identifizierung mit dem Über-Ich einer „wissenschaftlichen“ Tradition schützt das ich davor, seine Ohnmacht zu erleben.“ (S.47)
Seitenangaben zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Dienstag, 4. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 3

Altruismus
Die Definition des altruistischen Verhaltens: „Die Bereitschaft, eine Gefahr für sein eigenes Wohlergehen hinzunehmen, um einem Artgenossen zu nützen, während beim egoistischen Verhalten die Schädigung eines Artgenossen in Kauf genommen wird, um die Überlebenschancen des Individuums zu verbessern.“ (S. 24)
„Viel spricht dafür, dass der Schutz der Nachkommen die wichtigste biologische Quelle des Altruismus ist.“ (S. 25)
Die biologischen Grundlagen für das altruistische Verhalten ist beim Menschen durch das „kulturelle“ Prinzip überformt. Somit ist es sinnlos die Frage nach „angeboren“ oder „erlernt“ zu stellen. „Erlernte Verhaltensweisen sind durchweg ohne ein angeborenes, in der genetischen Ausrüstung verankertes Substrat nicht denkbar. Erbanlagen können niemals die einzige Ursache einer biologischen Struktur sein. Es müssen andere Bedingungen hinzutreten, damit sich aus ihnen diese Struktur entwickeln kann.“ (S.27)
„Menschliches Verhalten ist wohl nur zu verstehen, wenn wir annehmen, dass es durch „angeborene“ emotionale Dispositionen, durch „erworbene“ emotionale Dispositionen und durch Verbindungen beider motiviert wird.“ (S.27)
„In allen wichtigen Verhaltensbereichen gibt die Identifizierung letzten Endes den Ausschlag. Dadurch wird die menschliche Kultur zu einem äusserst wirksamen Medium der Lebensbewältigung.“ (S.27)
„Den als seelisch gesund angesehenen Erwachsenen zeichnet aus, dass er bereit ist, seine Triebbedürfnisse bedingungslos den jeweils gegebenen Anpassungsforderungen seiner Gesellschaft unterzuordnen, sich zu erlauben, was sie erlaubt, und zu verbieten, was sie verbietet.“ (S.28) Doch muss dieses Bild ergänzt werden: Die kulturelle Gestaltung ist eine notwendige Bedingung ihrer Entwicklung. (S.29)
„Der Mensch ist nicht kulturfeindlich, sondern kultursüchtig.“ (S. 29)
„Der stärkste Antrieb des Menschen ist der, eine Beziehung zu anderen Menschen herzustellen und zu erhalten.“ (S.29) Identifikation.
Es gibt auch Mangel an sozialem Interesse: Bei Autismus oder durch Verletzung einer primär vorhandenen Beziehungsbereitschaft und einer daraus resultierenden Angst wieder verletzt zu werden. Auch eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung kann die Beziehung zu andern Menschen stören. (S. 30)
Wer unterwegs ist, ist sein Besitz vor allem eines: Eine Last. (in Anlehnung an Gedanke S.35)
In allen Zeiten und auch in den ältesten Formen sozialer Hilfe, war und ist der Helfer dem verinnerlichten Symbolsystem der Gesellschaft verpflichtet. „Seine Hilfe ist eine Verwirklichung von Werten der Kultur in einem Individuum, dem dies aus krisenhaftem Anlass oder auch aufgrund einer längeren Fehlentwicklung nicht gelingt.“ (S.40) Es geht immer darum, eine gestörte soziale Ordnung wieder „heil“ zu machen, Verfehlungen von oder gegen Gruppenmitglieder aufzuklären.“ (S.40)
Seitenangaben zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Sonntag, 2. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 2

Das Helfersyndrom
„In allen sozialen Berufen ist die eigene Persönlichkeit das wichtigste Instrument; die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Flexibilität sind zugleich die Grenzen unseres Handelns.“ (S.7). Darum legen wir im Pastorenberuf so viel Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung. Sie ist der wesentliche Inhalt der lebenslangen Weiterbildungen.
Schmidbauer beklagt die Situation in den sozialen Berufen: „Die Auseinandersetzung mit den Wünschen und Ängsten, mit der gefühlshaften Seite der Arbeit mit Menschen, wird dem Zufall überlassen.“ (S.8)
„Einfühlsames Verständnis für Schwächen und Mängel – eigene und fremde – ist gerade die Voraussetzung wirksamer Hilfe.“ (S.10)
„Ich halte die Unvollkommenheiten des Helfers für potentiell produktiv. Es ist sinnvoller, an ihnen und mit ihnen einen Entwicklungsprozess einzuleiten, als ihre Abspaltung zu erzwingen. Perfektions-Ideale lassen sich stets nur durch Verleugnung der Wirklichkeit aufrechterhalten. Dadurch verliert die Tätigkeit des Helfers leicht ihre Orientierung. Enttäuschungen, wie sie nicht ausbleiben, können nicht mehr verarbeitet, Fehler nicht korrigiert werden.“ (S.12)
„Das Helfer-Syndrom, die zur Persönlichkeitsstruktur gewordene Unfähigkeit, eigene Gefühle und Bedürfnisse zu äussern, verbunden mit einer scheinbar omnipotenten, unangreifbaren Fassade im Bereich der sozialen Dienstleistungen,…“ (S.12)
„Die innere Situation des Menschen mit dem Helfer-Syndrom lässt sich in einem Bild beschreiben: Ein verwahrlostes, hungriges Baby hinter einer prächtigen, starken Fassade.“ (S. 15)
Seitenangaben zu: „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980.

Samstag, 1. März 2014

Hilflose Helfer Nr. 1

Nun habe ich es endlich auch gelesen. „Die hilflosen Helfer“ von Wolfgang Schmidbauer: „Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1980. In diesem Blog werde ich in den nächsten Tagen einiges an Zusammenfassung und Erkenntnissen aus dieser Lektüre bringen.
Ja, das ist ein altes Buch. Sicher sind aktuellere Studien über das Helfen gemacht worden. Dennoch werden von Schmidbauer grundsätzliche und relevante Aussagen zur Motivation des Helfens gemacht, die ich immer noch für gültig erachte. So diese Aussage: „Beim Helfer-Syndrom ist der Betroffene nur selten in der Lage, nach Abschluss einer Helfer-Interaktion sich selbst zu sagen: „Das habe ich gut gemacht.“ Er fragt sich: „Was war zuwenig, was habe ich übersehen, was habe ich falsch gemacht?“ Er ist, ohne es zuzugeben, hungrig nach den dankbaren Blicken, den anerkennenden Worten seiner Klienten oder Patienten. Aber sie machen ihn nicht wirklich satt, obwohl sie die einzige narzisstische Nahrung sind, die er aufnehmen kann.“ (S. 58)
Man muss schon ganz genau hinsehen, um bei Schmidbauer zu entdecken, dass er helfen nicht einfach pauschal verdächtigt und verurteilt. Er reagiert auf die Blindheit zu diesem Thema. Es gab zuvor so etwas wie eine selbstverständliche Vergötterung, eine kulturell eingeprägte Wertvorstellung, dass der Helfer und das Helfen gut und rein sei. Diese Ansicht korrigierte Schmidbaur. Das ist der Verdienst dieses Buches. Die Wirkungsgeschichte seiner Ausführungen kippte nun aber ins Gegenteil. Helfen ohne verdächtigt zu werden, dass da etwas beim Helfer nicht stimmt, ist in manchen Kreisen gar nicht mehr möglich.
Ich wünschte mir, dass das Thema ermutigender, konstruktiver und mit tieferer Einsicht in die Motivation durch den christlichen Glauben, behandelt würde.