Montag, 30. Juni 2014
Blaulicht
Rettungswagen und Notarzt vor unserem Haus
Blaulicht gehört zum Alltag der Grossstadt. Es kommt schon mal vor, dass drei, vier Polizeiwagen mit Blaulicht im Stau stehen und niemand regt sich auf. Hier ein paar Begebenheiten, die ich erlebt habe.
Ambulanzeinsatz vor unseren Augen: Wir sitzen im Café der Gartenanlage da fährt die Ambulanz der Feuerwehr mit Blaulicht vor. Vor unseren Augen gehen sie zu einem alten Mann der auf einer Gartenbank sitzt. Er sieht eigentlich recht lebendig aus, gestikuliert und redet. Aber er wird in das Ambulanzfahrzeug verladen und mit Blaulicht ins Spital gebracht.
Eine Mutter gibt ihrem etwa 6 Jährigen einen Klaps auf die Wange. Das sieht eine andere Frau und geht zu einem Polizisten der in der Nähe ist. Dieser kommt zur Mutter und sagt ihr, dass das so nicht gehe. Darauf verküsst die Mutter ihren Sohn. Der Vater steht während der ganzen Zeit teilnahmslos dabei.
Die Sanität im Haus. Einem unserer Nachbarn geht’s schlecht und der Notarzt wurde gerufen.
Einer brüllt wild herum vor der Bahnhofsmission. Plötzlich kommt die Polizei. Ein Streifenwagen und ein Einsatzwagen mit 10 Polizisten. Sie sprechen mit dem Mann. Der sagt zuerst, er sei heiser und könne gar nicht schreien. Dann sagt er gar nichts mehr. Und die Polizei zieht achselzuckend wieder ab. Später beginnt er wieder zu schreien und hört nach einer Weile auch von selber wieder auf. Die meisten Gäste in der Bahnhofsmission sind entweder geistig krank oder sind gestrandete Ausländer. Wenige andere sind durch ein Schicksalsschlag oder verzwickte Umstände, vor allem im Alter, in diese Lage geraten.
Es ist 17.15 Uhr. Ich hole unsere Wäsche aus der besagten Waschküche im Hochhaus nebenan. Im Eingang liegt ein älterer Mann mit einer Flasche Wein in der Hand und schläft. Als ich aus der Waschküche komme, sind zwei Polizisten da und wecken den Mann und weisen ihn aus dem Haus. Danach trete ich vor die Tür und sehe die Ambulanz mit Blaulicht. Sie laden eine ältere Frau in den Wagen, die offensichtlich auf der Strasse lag.
Bahnhof Zoo. Vor der Bahnhofsmission streiten sich ein Mann und eine Frau. Ich werde dazugerufen. Die Frau wirft eine Bierflasche zu Boden und überall hats Glassplitter. Dann fällt sie zu Boden. Der Mann steht beschwichtigend und ratlos daneben. Die Hauptamtliche Schichtleiterin ruft die Polizei. Doch die Zwei haben sich schnell wieder beruhigt und noch ehe die Polizei da war, sind sie verschwunden. Dann kam auch noch die Ambulanz. Ich habe dann die Glasscherben zusammengewischt.
Ambulanzeinsatz im Jugendgästehaus: Ein Jugendlicher ist ohnmächtig geworden, wird liebevoll von seiner Lehrerin betreut bis die Ambulanz eintrifft. Die kümmern sich intensiv um den Jungen, obschon der wieder recht gut auf den Beinen steht. Detail: Sie messen den Blutdruck von Hand.
Ambulanzeinsatz im Hochhaus: Da kommt noch ein Feuerwehrwagen samt Mannschaft dazu, vermutlich um den Patienten runterzutragen.
Hauptbahnhof: Festnahme durch die Polizei in der Bahnhofshalle, Täter am Boden, ein Polizist in Zivil drückt dessen Kopf mit seinem Knie auf den Boden, der Täter schreit.
Bahnhof Zoo: Heute zweimal die Polizei im Haus. Zwei Polizisten bringen einen Mann, nur mit Unterhosen bekleidet zu uns. Er spricht nur Polnisch. Er bekommt von uns Kleider, Schuhe und zu Essen. Dann Grosseinsatz im Bahnhof Zoo mit Feuerwehr und Polizei – ein Mann habe angerufen und gesagt, dass er hier sei und sich umbringen wolle. Sie beschreiben ihn und fragen, ob er zu uns gekommen sei. Am Abend noch ein russisch sprechender Mann. Er hat starke Magenschmerzen. Wir bringen ihn ins Krankenhaus.
Auf dem Parkplatz von Aldi fährt ein Tanklöschfahrzeug der Berufsfeuerwehr Berlin vor. Ein Feuerwehrmann in seiner typischen Uniform steigt aus und geht einkaufen. Die andern Feuerwehrmänner warten gelangweilt in der Kabine des Wagens. Und was ich nun erlebt habe ist der Rede nicht wert: Ich habe schneller eingekauft als die Feuerwehr Berlin!
Ein Jugendlicher wird von zwei Polizisten aus dem Baumarkt geführt. Einer der Polizisten hält eine Jeans und einen Kassenbeleg in den Händen.
In der Lehrter Strasse versammeln sich Türken, die Männer in schwarzen Anzügen und die Frauen in verschnörkelten Abendkleider. So wie ich das beurteilen kann, feiern sie eine Hochzeit. Daneben wartet ein Kastenwagen der Polizei und Polizisten in halber Kampfmontur quälen sich herum.
Einkaufen im Aldi. Hinter uns füllt ein Feuerwehrmann seinen Einkaufswagen. Dann kommt ein Funkspruch zu ihm „Alarm….“. Er stellt seinen Einkaufswagen neben die Kasse, sagt kurz was zur Kassiererin und geht draussen zum Feuerwehrauto. Er ist der Fahrer. Neben und hinter ihm warten die andern Feuerwehrmänner. Er startet den Motor, schaltet das Blaulicht ein und fährt vom Aldiparkplatz weg und biegt mit Martinshorn in die Hauptstrasse ein. Später wird er sein Einkaufswägelchen weiter füllen.
Sonntag, 29. Juni 2014
Gottesdienst Nr. 18
Nach einem Gemeindefrühstück treffen wir uns im Gottesdienst im Zentrum am Hauptbahnhof. Pastorin Susannah Krügener predigte heute aus dem 1. Korintherbrief 9 über die Verse 16-23. Paulus gibt hier Einblick in sein Selbstverständnis, in seine Motivation. Die Messlatte wird hier hoch angesetzt. Allen ist er alles geworden…. Da steht er auf einer ganz anderen Seite als wir mit unserem Individualismus. Wenn wir die Lust verlieren, verziehen wir uns. Dagegen Paulus: Pflicht, Gehorsam (Worte die für uns negativ besetzt sind und bei uns Misstrauen hervorrufen weil sie so oft missbraucht wurden) prägen seinen Dienst. Richtig gelebter Gehorsam hat mit Beziehung, mit Vertrauen zu tun. In der Kirchengeschichte war Gehorsam immer wichtig (z.B. Gelübde der Mönche). Paradebeispiel von Gehorsam ist Jesus: Alle haben ihn verlassen, er kann sich an nichts mehr festhalten ausser an seinem Gehorsam gegenüber seinem Vater. Nachfolge ist mehr als „etwas von Jesus bekommen“. Paulus war oft auf der Flucht, hatte Hunger, musste Leiden. Er zahlte einen Preis. Doch wir dürfen da drin auch wissen: Gott ist gut und stark. Gott lässt uns nicht im Stich – auch wenn wir gehorsam sind. Das Beispiel von Mutter Theresa zeigt uns: Sie hat jahrelang einfach das getan, was dran war. Darin war sie gehorsam und demütig. „Ich bin allen alles geworden.“ – volle Anpassung? Die Anpassung die Paulus macht, kommt aus einer Stärke heraus. Er hat einen festen Standpunkt, darum kann er sich auch auf alle Seiten hin neigen. Er ist frei in seiner Bindung. Paulus will Menschen gewinnen. Er will Menschen retten. Paulus tut das alles, damit er an den Segnungen teilhaben kann. „Teilhaben“ heisst teilen – wir haben zu teilen. Die hohen Massstäbe sollen uns nicht entmutigen: Der Motor bei Paulus war seine leidenschaftliche Liebe für die Menschen.
Mit herzlichen Worten wurden Johanna und ich vor der Gemeinde verdankt und verabschiedet. Ja, auch wir haben der Gemeinde viel zu verdanken. Sie half uns, uns schnell und gut hier heimisch zu fühlen.
Fazit nach drei Monaten
Aussicht von unserer Wohnung in den Park
„Die gefährlichste Weltanschauung aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.“ Alexander von Humboldt. Diese Aussage habe ich an der Spree in der Nähe des Nikolaiviertels gelesen. Und ich bin froh, dass ich ein Stück mir bisher nicht bekannte Welt angeschaut habe. Ja, meine Weltanschauung hat sich wieder etwas verschoben, ist ergänzt worden, manche Zusammenhänge (besonders in Bezug zu Deutschland und seine Geschichte) sind mir klarer. Ich denke, dass es mir als Schweizer gut getan hat, über den Tellerrand zu schauen. Ja, ich habe einen neuen Blick auf die Schweiz, mein Land, bekommen und werde da manches auch wieder anders beurteilen. Ich habe hier gelebte Gastfreundschaft, aktive Verurteilung von Fremdenhass und allen rechtsextremen Machenschaften erlebt. Dass die linksextreme Szene nicht gross auf dem Radar erscheint, schreibe ich hingegen wiederum einer gewissen Blindheit in Berlin zu. Viele junge Deutsche sind auch nicht wirklich in der Geschichte gegründet und hantieren nach Lust und Laune. So hat während der Fussballeuropameisterschaft ein Türke in Berlin eine übergrosse Deutschlandfahne an seine Hausfassade gehängt. Linksextreme haben die Fahne heruntergerissen…
Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt. In ihren Grundstrukturen, ihrer Motivation, ihren Mustern und Haltungen waren sie gleich wie in der Schweiz. Alle meinten es gut. Viele davon konnten es nicht gut. Einige sind ins Extreme gefallen und das ist hier in Berlin viel mehr möglich als in einem Schweizer Dorf. Allzuviele leben auch hier nur selbstbezogen und ohne Gott. Es bewahrheitet sich auch hier: "Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält." (Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein, 1964)
Es mag ausgefallen sein, drei Monate praktisch unentgeltlich in der Berliner Stadtmission zu arbeiten. Aber diese Zeit hat uns Berlin näher gebracht und ich denke näher als wenn wir viel Freizeit gehabt hätten. Wir haben das Leben hier erlebt, so wie es hier gelebt wird. Wir verstehen die Berliner jetzt besser, Deutschland ist uns näher und manches ordnen wir jetzt neu ein.
Die Erfahrung, dass wir sehr schnell wieder mit neuen Leuten in Beziehung treten können und uns heimisch fühlen können - auch an ganz anderen Orten, das nehmen wir mit. Auch die Erfahrung einer anderen, kleineren Gemeinde, die eine Missionsstation ist und von einem Missionar geleitet wird, das sehen wir neu als gangbarer Weg in unserer nachchristlichen Welt Gemeinde zu bauen. Dabei sehen wir die Schwierigkeiten, das Leiden, den Druck, der da vor allem auf dem Pastor liegt, die manchmal gar ärgerliche Unvollkommenheit und Unzuverlässigkeit,…
Auch die Erfahrung im Umgang mit Situationen von Gewalt wie ich sie z.B. am Bahnhof Zoo erlebt habe, ist lehrreich für mich. Ich habe mich selber beobachtet wie ich reagiere und machte die Erfahrung, dass die Schwelle zur körperlichen Gewalt hoch ist. Vieles läuft verbal und mit Körpersprache ab, da kann ich auch viel dazu beitragen, dass die Situation nicht eskaliert. Es liegt zu einem wesentlichen Teil an mir, ob das Gewaltpotenzial ausbricht oder ob eine Deeskalation stattfindet.
Wir leben in einer Zeit von grosser Freiheit und mit vielen Möglichkeiten. Es wird immer darauf ankommen, für was man seine Freiheit einsetzt. Einer braucht sie um an den geparkten Wagen zu pinkeln, ein anderer macht ehrenamtliche Arbeit.
Samstag, 28. Juni 2014
Schweiz von aussen
Im Tiergarten
Aussagen zur Sicht auf die Schweiz: "Ist Musterschüler in Europa. Die Schweizer wirken oft arrogant. Die Landschaft ist wunderschön. Es kommt mir vor wie der Vorhof des Paradieses. Ich habe mit dem Fahrrad schon fast die ganze Schweiz gesehen: Einfach traumhaft. Die Schweiz ist teuer. In der Schweiz verdient man viel. Die Schweiz hat auch eine dunkle Seite in ihrer Geschichte: Der Umgang mit den Juden zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Ich bewundere und beneide die Schweizer auch etwas darüber, dass sie so freimütig und stolz überall ihre Fahne zeigen. Deutschland lernt das erst wieder – der Anstoss gab die Fussballweltmeisterschaft vor vier Jahren. Da war man nun nicht mehr gleich ein Nazi, wenn man die Deutschlandfahne am Balkon befestigt hatte."
Es ist erstaunlich, wie viele hier den Emil (Steinberger) kennen. Manche sind sozusagen gross geworden mit den Sketchen von ihm. Ich habe sogar von einer Berlinerin das Buch von Emil Steinberger „Wahre Lügengeschichten“ erhalten (im Buch steht: "MC's, CD's und Videos von Emil sind in Schweizer Dialekt, Schweizer Hochdeutsch und in französischer Sprache auf dem Markt").
Viele haben irgendwelche Verwandte oder Freunde in der Schweiz. Manche haben auch schon in der Schweiz gearbeitet.
Mein Eindruck ist, dass man weiss, dass es die Schweiz gibt, dass die aber nicht so wichtig ist, einfach nur schön, niedlich und wenn man mehr Geld hätte, wäre sie ein Ferienziel. Vielen ist bekannt und finden das eine Kuriosität, dass es in der Schweiz auch einen französischen und einen italienischen Teil gibt ("spricht man da wirklich französisch und italienisch?"). Manche kennen typische Schweizerprodukte: Taschenmesser (wird hier oft als "Schweizermesser" bezeichnet), Schokolade, Uhren, Käse und Bankkonten. Berge werden mit der Schweiz in Verbindung gebracht. Die Pharmaindustrie oder auch die Konzernniederlassungen (wie Nestlé, Glenkore, ABB) sind nicht im Schweizerbild. Nie habe ich Kritik an der Schweiz gehört. Sie wird als eigenständiges Land akzeptiert.
Aussagen zur Sicht auf die Schweiz: "Ist Musterschüler in Europa. Die Schweizer wirken oft arrogant. Die Landschaft ist wunderschön. Es kommt mir vor wie der Vorhof des Paradieses. Ich habe mit dem Fahrrad schon fast die ganze Schweiz gesehen: Einfach traumhaft. Die Schweiz ist teuer. In der Schweiz verdient man viel. Die Schweiz hat auch eine dunkle Seite in ihrer Geschichte: Der Umgang mit den Juden zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Ich bewundere und beneide die Schweizer auch etwas darüber, dass sie so freimütig und stolz überall ihre Fahne zeigen. Deutschland lernt das erst wieder – der Anstoss gab die Fussballweltmeisterschaft vor vier Jahren. Da war man nun nicht mehr gleich ein Nazi, wenn man die Deutschlandfahne am Balkon befestigt hatte."
Es ist erstaunlich, wie viele hier den Emil (Steinberger) kennen. Manche sind sozusagen gross geworden mit den Sketchen von ihm. Ich habe sogar von einer Berlinerin das Buch von Emil Steinberger „Wahre Lügengeschichten“ erhalten (im Buch steht: "MC's, CD's und Videos von Emil sind in Schweizer Dialekt, Schweizer Hochdeutsch und in französischer Sprache auf dem Markt").
Viele haben irgendwelche Verwandte oder Freunde in der Schweiz. Manche haben auch schon in der Schweiz gearbeitet.
Mein Eindruck ist, dass man weiss, dass es die Schweiz gibt, dass die aber nicht so wichtig ist, einfach nur schön, niedlich und wenn man mehr Geld hätte, wäre sie ein Ferienziel. Vielen ist bekannt und finden das eine Kuriosität, dass es in der Schweiz auch einen französischen und einen italienischen Teil gibt ("spricht man da wirklich französisch und italienisch?"). Manche kennen typische Schweizerprodukte: Taschenmesser (wird hier oft als "Schweizermesser" bezeichnet), Schokolade, Uhren, Käse und Bankkonten. Berge werden mit der Schweiz in Verbindung gebracht. Die Pharmaindustrie oder auch die Konzernniederlassungen (wie Nestlé, Glenkore, ABB) sind nicht im Schweizerbild. Nie habe ich Kritik an der Schweiz gehört. Sie wird als eigenständiges Land akzeptiert.
Freitag, 27. Juni 2014
Schlafsäcke
Ein Mitarbeiter der Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo nimmt die sieben Schlafsäcke in Empfang, die von einem Ehepaar aus der EFRA gespendet wurden. Sieben Obdachlose in Berlin werden davon profitieren. Herzlichen Dank!
Die Gefährten
Das Stage Theater des Westens ist so, wie ich mir ein Theater vorstelle: viele rote Plüschsessel, verschnörkelte Balkoneinfassungen, ein Foyer mit Bistrotischen. Das Bühnenbild war ganz schwarz, mit einer Art weisser, längsgezogener Wolke in der Höhe. Die diente während des ganzen Stücks als Leinwand, auf der die Szenen in meist schwarz/weissen Bildern im Stil von Kohlenskizzen abliefen. Wobei sich auch hier die Dramatik so steigerte, dass das Kriegsblut sich auf der ganzen Leinwand rot verteilte. Schon nur diese Nebenhandlung war der Abend wert. Gezielt wurde Musik live und aus der Konserve eingesetzt. Manchmal wurde auch gesungen. Das Spiel mit dem Licht und den Requisiten hob die Handlung hervor. Und da wurde ganz fein und still die Liebe zwischen dem Pferd und dem Jungen dargestellt und explodierte im Krieg mit grellen Scheinwerfern und ohrenbetäubendem Granatlärm.
Was die Gefährten so speziell machte, ist die Darstellung von lebensgrossen künstlichen Pferden. Drei Männer bewegten ein solches auf der Bühne so, dass man als Zuschauer – ähnlich wie bei einem Puppenspiel – der Illusion verfiel, dass da ein echtes Pferd war.
Die Story war einfach und nahm uns mit in den ersten Weltkrieg. Da wurden Pferde gebraucht. Auch das Pferd der englischen Bauerfamilie, deren Vater krampfhaft versuchte, seinem grossen Bruder zu genügen und dabei seine Familie gefährdete, kam in den Krieg. Der Bauernjunge, dem das Pferd eigentlich gehörte, ging ihm von England nach, nach Frankreich in den Krieg gegen die Deutschen. Der Krieg wurde nicht schnell mal geführt, sondern entwickelte sich zu einem grausamen Stellungs-Hin und Her. Die Grausamkeiten wurden sehr nah und eindrücklich dargestellt: Erschiessungen, ein Panzer überrollt die Bühne, schwarze Vögel tun sich an den Leichen gütlich, Pferde müssen eine Kanone bis zu ihrer Erschöpfung ziehen, links und rechts der Bühne, auf Zuschauerhöhe sind dreckige Schützengräben aufgebaut, ein Rotkreuzwagen transportiert Verletzte und Tote und dazwischen spielt ein etwa zehn jähriges Mädchen eine Kriegsweise. Sie finden sich wieder, der Junge, der unterdessen Soldat ist und das Pferd, das verletzt den Krieg überlebt hat. Die Familie trifft sich wieder vereint auf ihrem Hof in England. Der Sohn des Bruders aber ist im Krieg gefallen.
Ich habe weder das Buch gelesen noch den Film „die Gefährten“ gesehen. Aber ich denke, dass das Theater diese Thematik auf eine sehr nahe und tief eindringende Art vermittelt hat. Es passt recht gut zu meinen Bemühungen um die deutsche Geschichte.
Donnerstag, 26. Juni 2014
Gedenken an Kati
Sie war eine „Stammkundin“ am Zoo. Früher habe sie oft Lärm gemacht. Ich habe sie nur noch ruhig, etwas verlangsamt, kennengelernt. Gestern sprach ich noch mit ihr und sie bekam drei Kaffees von uns. Sie hat mir sogar ein kleines, wenn auch unbedeutendes Geheimnis anvertraut. Ihre Augen haben gestrahlt, sie war fröhlich und zufrieden. Seit Jahren krank. Vor ein paar Wochen wurde sie vor meinen Augen von einem Städtischen Bus vor die Bahnhofsmission gebracht. Da sie früher Busfahrerin war, hatte sie da offenbar spezielle Kontakte... Sie hat keine Angehörigen, die Bahnhofsmission schaut jetzt für eine würdige Beerdigung. Normalerweise wird die Urne eines Obdachlosen vom Friedhofsangestellten alleine und still begraben.
Heute ist folgender Artikel in der BZ (Berliner Zeitung) erschienen:
Obdachlosenszene
Gedenken an Kati B. vom Bahnhof Zoo
Die 49-Jährige lebte seit langer Zeit auf der Straße
Es ist vielleicht der kürzeste Satz, den sich über eine Tote sagen lässt, aber der wichtigste: Siefehlt. Kati B., die seit wohl 30 Jahren auf der Straße lebte, kannten die meisten Menschen am Bahnhof Zoo. Eine blonde Frau in schwer zu schätzendem Alter, erkennbar war sie von Weitem an der tiefen Stimme, mit der sie sich und anderen Geschichten erzählte. Mal ging es da um die großen Dinge des Lebens, mal gab es Streit. Oft war es Kati B., die vermittelte. Oder zur Schlichtung den Inhalt ihrer Schnapsflasche teilte. "Sie war sehr kameradschaftlich", sagt eine der wenigen anderen Frauen in der Obdachlosenszene am Bahnhof Zoo. Und noch etwas sagt sie: "Ich kann nicht glauben, dass sie nicht mehr da ist."
So geht es vielen. "Kati kam jeden Tag zu uns, wenn sie nicht im Krankenhaus war", sagt Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission am Zoo. Seit Jahren bemühten sich die Helfer, für die schwer kranke Frau dauerhafte Hilfe zu finden. Kati B. lebte mit einem Blasenkatheter und entzündeten Beinen, schlief im Winter in Notunterkünften und im Sommer draußen – besonders für Frauen ein hartes Schicksal. Doch sie lehnte alle Hilfe ab, wie viele Menschen, die das Wichtigste im Leben verloren haben – den Glauben an sich selbst.
Wer Kati B. nach ihrem Leben fragte, erlebte eine intelligente Frau, die nüchtern von sich als einem Mädchen erzählte, das früh Alkohol trank. Die das Abitur trotzdem schaffte, das Medizinstudium nicht, und stattdessen Busfahrerin wurde. So erzählte sie es diesen Winter der Berliner Morgenpost. Nach Skandinavien reiste sie oft, nach dem Mauerfall kutschierte sie Touristen durch Berlin, bis sie ihren Beruf verlor. "Sie klagte nicht andere an, sondern war traurig über sich selbst", sagt eine Praktikantin der Bahnhofsmission, "dafür mochte man sie."
Kati B. starb in der Nacht zu Dienstag am S-Bahnhof Olympiastadion auf einer Bank an Gleis eins, allein. Sicherheitsleute fanden sie morgens, sie glaubten, sie schliefe. Wie viele Menschen auf Berlins Straßen leben und auch dort sterben, wird statistisch nicht erhoben. Berichtet wird darüber meist nur im Winter. Die meisten, sagt Dieter Puhl, sterben zu anderen Jahreszeiten. Vor der Bahnhofsmission erinnern im "Gedenkbaum" acht Bändchen an verstorbene Gäste. Für Kati B. wird nun das neunte aufgehängt. Sie alle, sagt Dieter Puhl, werden uns fehlen.
Dienstag, 24. Juni 2014
Ick wees
Eine kleine Sprachschule
Kehren ist wischen. Wischen ist fegen, fegen ist wischen.
Wischen geht am schnellsten, wenn man den Teppich umkehrt. Aber eigentlich sollte man nass aufnehmen. Kehricht ist Müll.
Es gibt hier keine Löffeli, Gäbeli oder Messerli. Alles ist hier gross. Auch wenn manches eben doch klein ist.
„Bückware“ ist ein DDR-Ausdruck. Alles was unter dem Ladentisch verkauft wurde, also Mangelware die bevorzugten Kunden gegeben wurde.
Auf einer Jutentragtasche aufgedruckt: „Ick bi ne jute“. Das heisst übersetzt: „ich bin eine Gute“.
Grammatik: Der Berliner stellt gerne das Personalpronomen hinter das Verb. „Das seh ik und mach ik. Kann er och.“
Eine Schrippe ist ein Brötchen.
Der Samstag ist der Sonnabend.
In allen Prospekten der Läden wie „EDEKA“ wird mit dem Wort „billig“ geworben. In der Schweiz bringt man „billig“ in Verbindung mit „qualitativ minderwertig“. Hier meint man damit „im Preis günstig“.
Hier werden die Schuhe gewienert und nicht berlinert. Warum weiss ich auch nicht.
Man kauft hier Sehne und Pose – bei uns wäre das Angel und Zapfen.
Statt Rivella wird hier folgendes getrunken: Almdudler, Brause, Bionade mit verschiedenen Aromen und Clubmate.
Sonntag, 22. Juni 2014
Gottesdienst Nr. 17
Nach Pfingsten achten wir vermehrt auf den Heiligen Geist. Wer ist er? Wie wirkt er? Was tut er? Hier in der Gemeinde am Hauptbahnhof der Stadtmission hat heute eine Predigtreihe zu den Früchten des Heiligen Geistes (Galater 5,22f) begonnen. Ich durfte dazu die Predigt halten zur ersten Frucht, der Liebe: „Liebe“ ist ein schillernder und auch abgelatschter Begriff. In dieser Verwirrung hilft mir die Unterscheidung im Griechischen. Da wird Liebe differenzierter in mehreren Begriffen ausgedrückt: Eros (die körperliche, sexuelle Liebe), Philos (die Freundesliebe) und Agape (die göttliche Liebe). Wenn wir uns mit der Liebe als Frucht es Heiligen Geistes befassen, ist da immer die Agape-Liebe gemeint. Die Bibel ist der Liebesbrief Gottes an mich. So sind sehr viele Aussagen zur Liebe drin. Einige wichtige Stellen sind: Schma Israel – Höre Israel (5. Mose 6,4-5), das Doppelgebot der Liebe, 1. Korinther 13 – das Hohelied der Liebe oder auch unser Predigttext 1. Johannes 4,16-21.
Gott ist die Liebe und er ist die Quelle für Liebe die wir bekommen können. Menschen enttäuschen aber Gott hat die Fülle für uns bereit. Er hat die wahre Vaterliebe. Und menschliche Väter haben sich an Gott als Vater zu orientieren (nicht umgekehrt). Ich bin von Gott angesprochen worden in meinem Suchen nach Lebenssinn. Er hat in seiner Liebe mich immer mehr zu sich gezogen. Jetzt darf ich von ihm immer wieder neu gefüllt werden mit seiner Liebe. Dabei ist mir der Römische Brunnen in Sans souci eine Predigt geworden: Im Regen steht dieser Brunnen da. Ja, Gottes Liebe wird über das ganze Land ausgeteilt – so wie es auf’s ganze Land regnet. Wir als Christen haben aber mehr: Wir sollen wie dieser Brunnen sein – konzentriert und in einer Dichte und Fülle mit Gottes Geist und seiner Liebe unaufhörlich gefüllt werden. Und wir stehen da mit ausgebreiteten Armen und lassen uns füllen. Da ist kein Machen und Tun, kein Druck und Soll. Da ist Hingabe. So gefüllt können wir weitergeben. Da überfliesst unser Gefäss und Liebe strömt auch von uns aus: Mein Blick geht von mir weg zu Gott und dem Nächsten. Da wird der Egoismus von der Liebe verdrängt. Darum: „Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“ (1. Johannes 4,19)
Samstag, 21. Juni 2014
Hugenottenmuseum
Die Französische Friedrichstadtkirche, der Französche Dom
Gesangbuch der Gemeinde von einem Splitter einer Bombe im Zweiten Weltkrieg durchbohrt
Nach dem 30 jährigen Krieg hatte Berlin nur rund 15‘000 Einwohner (zum Vergleich Paris: 750‘000 Einwohner). In Brandenburg herrschte Not und Elend. Frankreich war kulturell, sprachlich, handwerklich, wirtschaftlich die führende Kraft und das Vorbild in Europa. Aber Louis XIV, der Sonnenkönig, unterdrückte die Reformierten (Hugenotten; Calvin!). Ab 1660 begann Ludwig XIV systematisch die protestantische Minderheit zu unterdrücken. So wurden die Kinder, die älter als sieben Jahre waren, den Eltern weggenommen und zwangsweise katholisch erzogen. Es gab mehr als 300 Sondergesetze für die Protestanten. Protestantische Städte wie z.B. Lyon waren führend im Handel und Gewerbe und florierten. Der protestantische Glaube und die Minderheitensituation förderten den Fleiss und die Arbeitsethik. Ab 1881 nahm der Druck zu. Sogenannte „Dragoner“, „gestiefelte Missionare“ begannen sich bei den Protestanten einzuquartieren. Darauf konvertierten die meisten Protestanten zum katholischen Glauben. Es gab eine grosse Auswanderungsbewegung nach England, Holland, Deutschland und der Schweiz. Das Edikt von Nantes wurde dann 1685 von Louis XIV aufgehoben. Alle evangelischen Kirchen in Frankreich wurden zerstört, die Pfarrer des Landes verwiesen. Die Flucht war zwar verboten und wurde schwer bestraft. Dennoch verliessen viele Protestanten Frankreich. Manche wurden gefangen genommen und wurden auf Galeeren versklavt. Andere sassen jahrelang in dunklen Gefängnissen (Z.B. Marie Durand 38 Jahre lang).
Wohl als Reaktion auf die Aufhebung des Edikts von Nantes erliess der preussische Kurfürst Friedrich Wilhelm 1685 das Edikt von Potsdam. Es versprach den zuziehenden Hugenotten viele Privilegien wie Steuererlass und Freiheit in Glaubensfragen. Zu den 15‘000 Einwohner Berlins kamen innert weniger Jahre 20‘000 Hugenotten. Es entstand ein neues Quartier, die Friedrichsstadt. Nun prägte die französische Sprache Berlin – manches hören wir heute noch. Nicht von ungefähr heisst die Uniklinik „Charité“. Diese französischen Kolonien hatten eine eigene kirchliche Ordnung, eigene Gebäude, wirtschaftliche Sonderrechte und sie sprachen bis 1809 nach französischem Recht recht. Die französische Kirche in Berlin widmete sich besonders der Armenfürsorge (kein Hugenotte sollte betteln müssen) und der Kindererziehung (jeder soll die Bibel lesen können). Ein Krankenhaus an der Friedrichstrasse kümmerte sich seit 1686 um Kranke und Alte. Berlin blühte unter dem Einfluss der Hugenotten auf. Sie brachten das Wissen und Können auf vielen Gebieten mit: Metallbearbeitung, Giessen, Weben, Uhren und Schmuck herstellen. Namhafte Grössen wirkten in Berlin: Professoren (Leonard Euler, Mathematiker 1741-1766 in Berlin), Apotheker, Ärzte, Kaufmänner, Künstler (Theodor Fontanes; Familie Reclam, Familie Chodowiecki). Friedrich II sagte später: „Sie halfen unsere verödeten Städte wieder bevölkern und verschafften uns die Manufakturen, welche uns mangelte.“
Speziell erheiternd ist folgende Begebenheit: Der Kurfürst führte 1688 als „Arbeitsbeschaffungsmassnahme“ für die Hugenotten das erste „Taxi“ in Berlin ein. Für eine kleine Gebühr konnte man sich in einer Sänfte von diesen Franzosen durch die Stadt tragen lassen.
Komödie
Anlass war ein Weihnachtsgeschenk der Mitarbeiter an Schwester Inge. Endlich konnte es eingelöst werden. Wir durften auch dabei sein und wurden ins Komödie Theater am Kurfürstendamm eingeladen. „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – ein Komödientheater nach dem gleichnamigen Buch von Jonas Jonasson. Die Handlung: An seinem 100ten Geburtstag steigt Allan Karlsson aus dem Fenster des Altersheims und flüchtet. Ein Bus, ein Koffer voller Geld, ein Elefant, Schnapsgläser, Pistolen, Leichen, Frühstückstisch, Atombombe, der Bruder von Albert Einstein, Kommissar und schräge Freunde begleiten ihn auf seinem Weg. Dabei wird auf sein langes Leben Rückschau gehalten, das er als Sprengstoffmeister bei den bekannten Geschichtsgrössen dieser Zeit verbringt: Amerikanische Präsidenten, Stalin, Mao, Franco, Churchill, …. Und offensichtlich hat er die alle irgendwie überlebt. Komisch, heiter und manchmal auch tragisch, tiefgründig. Die Himbeerbowle in der Pause schmeckte ausgezeichnet. Und Theater kommt näher als ein Film.
Dienstag, 17. Juni 2014
Islamseminar
Die Gemeinde der Stadtmission an der Lukaskirche in Kreuzberg veranstaltet eine Reihe unter dem Titel „Vielfalt wahrnehmen – einander kennenlernen“. An diesem Abend den wir besuchten hiess es: „Islam – Entstehung und geschichtliche Entwicklung“. Referent war Dr. Friedmann Eissler. Er ist Theologe und arbeitet für die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.
In Deutschland leben zur Zeit rund 4 Mio. Muslime, davon sind ¾ Türken. Gemäss dem deutschen Verfassungsschutz sind rund 1% der 4 Mio. extremistisch eingestellt (40‘000). Es kann zwischen einem gemässigten europäischen und einem extremistischen, radikalen Islam (der auch in Europa vorkommt) unterschieden werden. Die beste Haltung, die man in dieser Situation haben kann ist: Sich informieren und Respekt vor den Menschen als Geschöpfe Gottes haben. Angst ist dabei ein schlechter Ratgeber.
Der Koran ist das Heilige Buch des Islams. Er heisst so etwas wie „Lesung, Rezitierung, Klang“. Er wird gehört und aufgenommen. Ist also eigentlich nicht Gegenstand von intellektueller Auseinandersetzung oder wissenschaftlichem Arbeiten. Die Sure 96 ist der eigentliche Anfang. Die Gliederung ist nicht klar, am ehesten wurden die Suren nach ihrer Länge zusammengestellt (mit der Ausnahme der Sure 1). Der Koran ist in arabischer Sprache geschrieben, so will er auch gelesen und gehört werden. Alle Übersetzungen des Korans sind nicht eigentlich Koran. Solche Erkenntnisse zum Islam müssen nun mit unserem Buch, der Bibel, verglichen werden. Hier ist es ganz anders. Sicher ist auch bei uns das Hören des Wortes und das Aufnehmen wichtig. Aber das geschieht anders. Die Bibel soll auch „verstanden“ werden. Eine Auseinandersetzung mit ihr ist gewünscht. Gott spricht durch sie über unseren Kopf ins Herz. Darum die grossen Bemühungen der Bibelübersetzungen. (Empfohlene Koranübersetzungen: Khoury 1987, Paret – wissenschaftlich)
Mohammed im 6. Jahrhundert nach Christus geboren, ist das Vorbild der Muslimen. Er lebte zuerst im Umfeld einer multikulti Gesellschaft mit Götzen und Göttern, Christen und Juden waren auch dabei. Auch seine erste Frau (eine Art Mutterfigur, viel älter als er) war Christin. 622 ist der Beginn der moslemischen Zeitrechnung. In diesem Jahr bekam Mohammed in einer Wüsten-Meditationszeit den Koran von Allah diktiert. Der Überlieferung nach soll Mohammed erst unter Druck seiner Frau das Diktat Gottes ernst genommen haben. Nach islamischer Ansicht, entstand die fertige Fassung des Korans innerhalb 20 Jahren. Mohammed war eines wichtig: „Einheit“. Er verstand die Eingebung Gottes als Weiterführung der Offenbarungen Gottes in der Reihe der vorangegangenen Offenbarungen der Jüdischen Thora und des christlichen Evangeliums (Einzahl!). Er wollte also nicht eine neue Religion gründen. Aber wie das in solchen Fällen immer wieder zu beobachten ist: Er wird nicht zur Genüge verstanden und dem Streit folgt Kampf und Krieg. Vorerst hatte man Richtung Jerusalem gebetet, dann (hinter der Kaba) zur Kaba und Jerusalem und nach dem Streit in Mekka und der Umsiedlung nach Medina wendete man sich nur noch der Kaba zu. In dieser Zeit wurde Mohammed Anführer von blutigen Attentaten gegen Juden.
Wichtig im Glaubensleben des Moslem sind folgende Themen: Muhammed, der Koran, die Tradition (Hadith, Sunna), Die Gebote Gottes (Scharia), Gott ist Einer – der barmherzige Erbarmer, die fünf Säulen (Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, Pilgerfahrt nach Mekka, Almosen geben).
Es wird in der islamischen Theologie der Rückgriff auf den Vater des Glaubens, Abraham, gemacht (vergl. auch Paulus). In dieser Prophetenreihe ist auch Jesus. Er hat dabei manchmal fast ein höheres Gewicht als Mohammed. So tat Jesus Wunder, was Mohammed nicht konnte. Der Streit um Nachfolge und Führungsanspruch spaltete den Islam in viele Teile. Die grössten sind die Sunniten (Mehrheit) und die Schiiten (Ali Anhänger). Bekanntlich mögen sich die Beiden nicht so. Der Sufismus bekommt im deutschen Raum mehr Anhänger (er wird hier nicht mehr durch die andern Moslems unterdrückt). Diese Richtung des Islam hat weniger Kopfbedeckung der Frauen, keine Moscheen, andere Gesetze und kennt eine Art „Trinität“: Allah, Mohammed, Ali.
Neben allen Gemeinsamkeiten Islam-Christentum sind die Unterschiede zu beachten: Z.B. in Sure 4 wird klar der Kreuzigung Jesu abgesagt.
Wir sollen uns nicht gegen die Menschen mit islamischem Glauben abgrenzen. So grenzen wir sie aus und sie bilden eine eigene Gesellschaft, die empfänglich ist für den Extremismus. Der richtige Weg ist im Kleinen den Muslimen zu begegnen, mit ihnen Leben zu teilen und mit ihnen über ihren und unseren Glauben zu reden. Kämpferisches Getue schürt nur Gewalt und hilft niemandem. Für uns Christen gilt, dass wir treu zu unserem Glauben und unserem Herrn Jesus stehen dürfen. Aber handeln tut er. Wir müssen ihn nicht über unser Mass und Vermögen (und das ist nicht sehr gross) verteidigen aber getreu Reich Gottes bauen.
Montag, 16. Juni 2014
Kloster Segen
Die Kirche gehört der Evangelischen Kirchgemeinde, die noch andere Standorte im Bezirk Pankow hat. Mit Don Camillo (Basel, Montmirail) ist eine Partnerschaft zur zukunftsgerichteten Nutzung der Kirche vereinbart worden. Don Camillo lebt als Kommunität in den Räumen der Kirche, unterhält diese Räume und nutzt sie für Gottesdienste und andere geistliche Anlässe. So ist nun auch eine Fotografie Ausstellung des Fotografen Dieter Wendland zu sehen. Seine grossformatigen schwarz/weiss Fotografien kommen im Kirchenraum gut zur Geltung. Sie führen auf diese Weise in eine Meditation der Bildbetrachtung (wenn man sich denn Zeit nimmt). Als wir in der Ausstellung waren, kam ein Tourist mit Rucksack herein, setzte sich an den Flügel und begann gekonnt improvisierend zu spielen. Das gab der Ausstellung für einen Moment noch eine ganz besondere Stimmung. Der Fotograf Dieter Wendland ist im DDR-Berlin aufgewachsen, hat dann den Waffendienst verweigert und ist als Bausoldat geknechtet worden. Auch er spricht von einer Art Gefangenenlager, das der Betrieb der Bausoldaten war. Heute ist er neben seinem Fotografen-Beruf als Kirchenpfleger in diesem Kirchenbezirk tätig. Er sagt, dass am Anfang, als Don Camillo hier anfingen etwa 20 Gottesdienstbesucher da waren. Heute sind es rund 80 und an Feiertagen ist die Kirche auch Mal dicht besetzt. Im Garten hinter der Kirche wachsen neu gesetzte Fruchtbäume. Einer trägt dieses Jahr entgegen allen Erwartungen keine Früchte. Ich würde ihn noch nicht fällen.
Gottesdienst Nr. 16
Im Zentrum der Stadtmission kamen heute rund 25 Leute zusammen um Gottesdienst mit Abendmahl zu feiern. Der Gottesdienst stand ganz in der Reihe des Kirchenjahres (das Kirchenjahr beginnt im Advent - Christen sind der Welt immer etwas voraus.) und hiess „Trinitatis“ – Fest der Dreieinigkeit. Das Thema heisst, ganz im Sinn der Fussballweltmeisterschaft denn auch „3:1“. Zum Text von 2. Korinther 13,11 und 13 predigte Pfarrer Filker in Form eines Tischgesprächs (Abendmahl) und nicht in Form einer theologischen Disputation über die Trinität: „Die Trinität ist für unsere Logik schwierig aber sie ist eben Theo Logik.“ Er braucht den Vergleich mit dem Wasser und seiner drei Aggregatzustände, wobei er dieses Wort nicht braucht. Dann kommt er auf die Frage, was es denn praktisch für unser Christsein bedeutet, die Dreieinigkeit. Das Ziel ist, dass unser Leben gelingen soll. Dazu muss unsere geistliche Aufstellung (Fussballvergleich: Mannschaftsaufstellung) stimmen. Unser Text gibt uns dazu fünf Fingerzeige: Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch ermahnen/ermutigen, seid einerlei Sinn, haltet Frieden. Wenn ich diese Spielregeln einhalte, wird Gott mit mir sein. Und wenn nicht? Gott wird sich auch dann nicht von mir abwenden. Sondern ich wende mich von ihm ab. Da kann es passieren, dass er sich zurückzieht, nicht mehr spricht.
Diese fünf Spielregeln könnten Druck machen und manche gehen ja auch verbissen an die Verwirklichung dieser Anweisungen. Aber der Text führt uns noch in eine ganz andere Dimension. Da steht „Gnade Jesu“. Aus der Gnade leben heisst: „Lass es dir gefallen!“ Gott schenkt es. Da steht „Liebe Gottes“. Das ist das Entscheidende, was mich von einem Nichtchristen unterscheidet. Ich bin nicht mehr das Mass aller Dinge! Und da steht „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“. Wir sind ja eher Igel als Gemeinschaftsleute, wir haben Angst vor Gemeinschaft. Der Heilige Geist macht unsere harten Stacheln weich. Wer diese Dreieinigkeit so erfährt, erfährt Segen.
Samstag, 14. Juni 2014
Potsdams Schlösser
Friedrich der Grosse, Friedrich II, König von Preussen, der „Alte Fritz“ starb Ende 18. Jahrhundert. Er wollte laut seinem Testament im Park seines Schlosses „Sans Souci“ (ohne Sorge) begraben werden. Rund 200 Jahre wurde sein Wunsch nicht erfüllt. Erst 1991, nach der Wiedervereinigung Deutschlands, wurde sein Sarkophag im Schlosspark begraben. Seine Grabplatte ist mit frischen Kartoffeln geschmückt. Warum? Dazu Wikipedia „Kulturgeschichte der Kartoffel“: „In Preußen hatte Friedrich II. große Mühe, den Anbau von Kartoffeln durchzusetzen. Am 24. März 1756 erließ er an seine Beamten eine Circular-Ordre mit dem Auftrag „denen Herrschaften und Unterthanen den Nutzen von Anpflantzung dieses Erd Gewächses begreiflich zu machen, und denselben anzurathen, dass sie noch dieses Früh-Jahr die Pflantzung der Tartoffeln als einer sehr nahrhaften Speise unternehmen“. Es wird erzählt, dass Friedrich II. seine Bauern regelrecht ins Kartoffelglück prügeln ließ.“ Sein Grab ist mit Büsten römischer Kaiser umgeben (siehe Kaiser Augustus) und er selber sah sich als Philosophen.
Ansonsten waren an diesem Tag Preussens Schlösser nass. Das Weltkulturerbe beeindruckt mit seiner grosszügigen Architektur und begeistert sicher die Fans von Königshäusern und deren Geschichten. Mich verwirren solche Anlagen mehr, zeigen sie doch nur diese Welt der Elite und lassen die Stallknechte, Bauern, Handwerker, Untertanen, Laufburschen, Wäschefrauen, Kindermädchen und Landstreicher völlig aus dem Blickfeld. Dabei waren es doch mehrheitlich solche Leute, die damals gelebt und gearbeitet haben.
Freitag, 13. Juni 2014
Holocaust Denkmal
"Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas im Zentrum Berlins ist die zentrale Holocaustgedenkstätte Deutschlands." Das Denkmal besteht einerseits aus den 2711 Betonquadern auf dem Platz südlich des Brandenburger Tors. Anderseits findet man unter diesen Stelen ein Informationszentrum über die Verfolgung und Vernichtung der Juden. Es ist mit den europaweiten historischen Stätten dieser Verbrechen verknüpft. Aktuelle Datenbanken der Opfer sind zugänglich und können nach wie vor ergänzt werden. Der Bau will die oberirdischen Betonquader mit den unterirdischen Informationen in Verbindung bringen. So will das Denkmal vom oberflächlichen Denken zum tieferen Nachdenken führen. "Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben." Primo Levi. Diese Erklärung am Anfang des Rundganges fasst zusammen, was dieses Denkmal will. "Die Ausstellung beginnt mit einem Überblick der national-sozialistischen Terrorpolitik von 1933 bis 1945." Sechs Einzelschiksale stehen für die etwa sechs Millionen Opfer. In einem zweiten Raum stehen Tagebucheinträge, Briefe und letzte Notizen aus der Verfolgungszeit im Mittelpunkt. Die Angaben der Opferzahlen der jeweiligen Länder sind zwar interessant aber hinter diesen Zahlen stehen Menschen, die zum Teil unermessliches Leid erdulden mussten und das völlig sinnlos. In einem weiteren Raum werden 15 jüdische Familien dargestellt, aus denen Angehörige im Holocaust ums Leben kamen. Sie kamen aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Lebensumständen. Das wird einerseits aus dem Nachlass der Familien selber und anderseits aus Dokumenten der Verfolger und Täter dargestellt. In einem sehr dunklen Raum kann man sich setzen und die Namen und Kurzbiografien ermordeter und verschollener Juden hören. Der nächste Raum ist den Orten des Holocaust gewidmet. "Mit historischen Film- und Fotomaterial werden 220 beispielhafte Orte der Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden und anderer Opfer präsentiert." Am Schluss des Rundgangs kann man sich in die Datenbanken einloggen und kann selber individuell recherchieren. Weiter steht ein Videoarchiv zur Verfügung und an einem Computerterminal kann man die Debatten um das Denkmal, die zwischen 1999 und 2005 geführt wurden, nachlesen. Der Ausgang führt hinaus, mitten ins Stelenfeld. Und ich weiss "Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen." Es sind dann vielleicht nicht mehr die Juden, aber vielleicht die Christen oder die Moslems oder die Deutschen oder die Schweizer oder die Russen oder die Ukrainer oder du oder ich...
Es lohnt sich den Rundgang mit dem Audiogerät zu machen. Und es lohnt sich viel Zeit zu reservieren.
Das Denkmal ist so zwar wichtig, gut und richtig. Eine Frage aber beantwortet es mir nicht: Was waren die Motive, die Gründe, die treibenden Kräfte, die ein entwickeltes, zivilisiertes Volk zu diesen Taten bringen konnte? Das besser zu verstehen, wäre ebenso hilfreich um zu verhindern, dass so etwas nicht wieder geschieht. (Zitate aus dem Faltblatt des Denkmals)
Donnerstag, 12. Juni 2014
Deutsches Historisches Museum Nr. 04
1918: Die Nachkriegszeit war zuerst als parlamentarische Republik durch Parteien mit höchst unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen und Zielen geprägt. Die soziale Not, die durch den Krieg verursacht war, liess Millionen von Deutschen verbittern und radikalisierte sie. Die Weimarer Republik wurde von linken und rechten Extremisten bekämpft. Gewaltsame Aufstände und die häufig wechselnden Reichsregierungen gaben dem Land keine Stabilität. „Die Revision des Versailler Schmachfriedens von 1919 war eines der wichtigsten Ziele von Politikern aus allen Parteien. Den Kampf gegen die Fesseln von Versailles fasste die nationale Rechte als eine Frage der Ehre auf. Sie betrieb eine hasserfüllte Hetze gegen die Republik und deren Repräsentanten. 1923 drohte dem Deutschen Reich angesichts der Besetzung des Ruhrgebietes, Inflation und wirtschaftlicher Kriese ein blutiger Bürgerkrieg.“ Die radikale Linke hatte das Ziel, die Revolution nach dem sowjetrussischen Vorbild auch in Deutschland zu verwirklichen. Die Rechte gab den Juden die Schuld am Debakel des 1. Weltkrieges und kämpfte gegen ‚Spartakus‘. Rosa Luxenburg und Karl Liebknecht waren Märtyrer der Linken und noch heute tauchen diese Namen in Berlins Strassen auf. Käthe Kollwitz war zu dieser Zeit die kritische Künstlerin und gestaltete unter anderem Plakate für den Frieden (siehe Bild oben). Sie starb wenige Tage vor Ende des 2. Weltkrieges.
Bei der Wahl der Nationalversammlung wurden mehrheitlich gemässigte Parteien gewählt. Der von den Siegermächten diktierte Versailler Friedensvertrag forderte von Deutschland folgendes: Die Anerkennung der alleinigen Schuld Deutschlands am 1. Weltkrieg. Im Artikel 231 heißt es:
„Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde, erlitten haben.“ Bedenkt man die Situation bei Kriegsbeginn, würde ich das nicht so einseitig beurteilen. Sicher hatte Deutschland Mitschuld und ist nicht deeskalierend sondern heroisch an die Sache herangegangen. Aber das haben andere ebenso gemacht. Deutschland musste gemäss dem Vertrag auch etliche territoriale Gebiete abtreten. Das scheint mir im Hinblick auf einigermassen ausgewogene Machtverhältnisse in Europa sinnvoll gewesen zu sein. Natürlich mag es für die Bewohner schwierig gewesen sein, seine Heimat neu definiert zu bekommen. Für manche wird das wohl eine Identitätskrise gewesen sein. Auch der Abbau der Armee war m.E. sinnvoll. Immerhin hatte Deutschland dann immer noch eine Heeresstärke von 100‘000 Berufssoldaten. Die Luftstreitkräfte wurden ganz verboten und auch die Seeflotte war stark reduziert. Die allgemeine Wehrpflicht wurde aufgehoben. Am einschneidensten waren wohl die überrissenen Reparationszahlungen von 132 Milliarden Goldmark. Das war weit mehr, als die deutsche Wirtschaft schaffen konnte und sollte bald schon die Situation zum Schlechten anheizen. Das gebeutelte deutsche Volk kämpfte um das Überleben. Streiks wie im März 1919 wurden mit Gewalt niedergeschlagen. In Berlin gab es dabei 1‘200 Tote. Die extremen Parteien profitierten von der Misere. Für die Rechten war der „jüdische Bolschewismus“ das Schreckensgespenst. München wird Zentrum der rechtsradikalen Gruppen. Slogans von rechts: „Jetzt ist die Zeit zum Handeln! Meldet euch alle!“. Slogans von links: „Ins Elend oder durch Kampf zum Sieg!“. Juden wurden vor allem durch die nationale Rechte für den verlorenen Krieg verantwortlich gemacht: „Wir haben uns an der Front mit unserem Leben eingesetzt und die haben uns hinter dem Schreibtisch hervor mit dem Dolch erstochen. Und jetzt besetzen sie schon wieder die wichtigen Posten.“ Es gab damals rund 560‘000 Juden in Deutschland. Und die Wahrheit ist, dass sehr viele von ihnen im Ersten Weltkrieg für ihr Vaterland Deutschland an der Front gekämpft haben. Dabei sind rund 12‘000 von ihnen ums Leben gekommen.
Völlig unnötig war dann 1923 der Einmarsch der französischen und belgischen Truppen ins Ruhrgebiet. Grund: Deutschland war geringfügig mit seinen Reparationsleistungen im Verzug. Der Hass der Deutschen wurde so geschürt. Die Inflation grassierte: Im August 1923 kostete 1kg Brot 69‘000 Mark. Im November kostete es schon 200 Milliarden Mark. Der Staat und auch einige Spekulanten profitierten davon. Die Kriegskredite Deutschlands von 164 Milliarden Mark beliefen sich nach der Währungsumstellung noch auf 16,4 Pfennige….
Adolf Hitler trat 1919 in München der völkischen Partei bei (später NSDAP). Sein Kampf richtete sich vor allem gegen das Judentum und den Versailler Vertrag. Parlament und Weimarer Republik verachtete er, weil sie das deutsche Volk spaltete. Hitlers Putsch 1923 wurde niedergeschlagen. Im Gefängnis schrieb er sein Programm „mein Kampf“. „Darin beschreibt er seine von Rassendoktrin und Sozialdarwinismus geprägte Weltanschauung. Den Kampf gegen die jüdische Weltdiktatur und den Bolschewismus sowie die Eroberung von Lebensraum im Osten stellte Hitler in das Zentrum seiner politischen Mission.“ 1925 stirbt Reichspräsident Ebert. Zum Nachfolger wird der ehemalige Feldmarschall des 1. Weltkrieges, Hindenburg gewählt. Der 77jährige war ein Anhänger der Monarchie und fand die Republik nicht das Seine. Ab 1923 gab es wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung. Es gab Arbeit und die Reallöhne stiegen. Das kulturelle Leben blühte auf (z.B. die Bauhaus Bewegung). Doch der Aufschwung endete jäh 1929 mit der Weltwirtschaftskriese, die an der New Yorker Börse am „schwarzen Freitag“ mit einem Absturz begann. Die Arbeitslosigkeit stieg wieder, Verelendung und Resignation verbreiteten sich. In dieser Zeit linderten die Kirchen häufig die grösste Not (Bevölkerung deutschlands: 65 Mio., 2/3 Protestanten, 1/3 Katholiken, 1% Juden). An der Reichstagswahl 1930 erreichte die NSDAP 18,3% der Stimmen. Die Linke war in Kommunisten und SPD gespalten. Die Kommunisten verfolgten die Idee des weltweiten Proletariats: „Arbeiter vereinigt euch!“. Die „Internationale“ wurde gesungen. Die Rechte sang nur das Nationale…. 1933 wird Hitler zum Reichskanzler ernannt. Sofort benutzt er seine Macht um diese auszubauen. Deutschland wird gleichgeschaltet: Alle Parteien ausser der NSDAP werden verboten. Vereine, Verbände bis hin zur Kirche passen sich, oft unter grossem Druck, an. Der Brand des Reichtages verhalf Hitler seine Popularität weiter auszubauen. Doch die Neuwahlen im März 1933 waren für die NSDAP enttäuschend: 43,9%. Und das trotz der massiven Propaganda und dem Druck zur Beeinflussung des Volkes. Doch die Uniformierung der Gesellschaft, Volksgemeinschaft als höchstes Gut, Kontrolle über alle Medien, Kontrolle des kulturellen Lebens schritt voran. Die ideologische Bindung des Einzelnen an den Nationalsozialismus war Gegenstand von Lehre und Erziehung: Sprache, Symbole, Gruss, Kinderspielzeug,…. Das war der Totalitätsanspruch des Regimes. Die grossen Aufmärsche und Inszenierungen faszinierten. Und jetzt gab es wieder Arbeit und Aufschwung: Autobahnen wurden gebaut, Volkswagen, neue Grossbauten,… Hitler wollte die Vormachtstellung in Europa, das Dritte Reich. „Nur vier Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler sprach Hitler vor der Reichswehrführung über seine Pläne zur Aufrüstung und zur Eroberung von Lebensraum im Osten.“ 1935 wurde die Wehrpflicht (Bruch des Versailler Vertrags) wieder eingeführt. „Die Rüstungsausgaben wurden bis 1938 auf 61 Prozent des Reichshaushaltes gesteigert. Allein in der Luftfahrtindustrie stieg die Zahl der Arbeiter von rund 4'000 (1933) auf 208‘000 (1938) an.“ 1939 hatte die Wehrmacht einen Bestand von über 3 Mio. Soldaten. Ab 1936 (Vierjahresplan) boomte die Rüstungsindustrie. Die Konsumgüterindustrie wurde dagegen eingeschränkt. Im Spanischen Bürgerkrieg 1936 wurden neue Waffen getestet: In Gernika während des deutschen Luftangriffs die Brandbomben.
1938 marschiert die Wehrmacht gegen den Willen des österreichischen Bundeskanzlers Schuschigg in Österreich ein. Gegner wurden sofort ausgeschaltet und nach aussen wurde der „Anschluss Österreichs“ gefeiert. Anschliessend erhob Hitler Anspruch auf das seit 1919 zur Tschechoslowakei gehörende Sudentenland. Die Eingeständnisse gegenüber Hitler wurden in der Hoffnung gemacht, damit einen Krieg verhindern zu können. In einer weiteren Kampagne setzte Hitler die Rest-Tschechei unter Druck und annektierte das Gebiet als „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“. Die Wehrmachtführung wurde Anfang April 1939 von Hitler beauftragt, einen Feldzug gegen Polen vorzubereiten. Hitler unterzeichnete mit seinem Todfeind der Sowjetunion (Stalin) einen Nichtangriffspackt (den er später dann brechen wird). Man verständigte sich auf eine Aufteilung Polens.
Dann begann der 2. Weltkrieg. Hitlerdeutschland nahm Europa gewaltsam in Beschlag und die Alliierten eroberten die Freiheit bis 1945 zurück.
Parallel zum Kriegsgeschehen verwirklichte Hitler seine Rassenideologie indem er alle, die ihm nicht passten, auszurotten versuchte: Millionen Juden, Sinti, Roma, Kommunisten, Behinderte starben.
Zitate aus der Ausstellung.
Mittwoch, 11. Juni 2014
Deutsches Historisches Museum Nr. 03
Die wehrhafte Germania
Helm eines deutschen Offiziers von einer Kugel durchschlagen. Einer der 17 Millionen Toten des 1. Weltkrieges
Modell eines deutschen Kriegsschiffes. Der 1. Weltkrieg war auch der erste Maschinenkrieg.
Eine Sonderausstellung ist dem Ersten Weltkrieg gewidmet. Dem Ausbruch des Krieges gingen voraus: Machtpolitische Rivalitäten, Angst vor einem Angriffskrieg, Aufrüstung. Die politische Stimmung war aufgeheizt. Weite Teile der Bevölkerung waren gegenüber einem Krieg positiv eingestellt. Das Attentat im Bosnischen Sarajevo gegen den Thronfolger in Österreich-Ungarn, Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie, durch einen serbisch-nationalistischen Terroristen (er wird aber auch als Held verehrt – ja nachdem bei wem man reinhört… in Sarajevo hat er auf jeden Fall ein Denkmal bekommen) war dann nur noch der Auslöser für den Krieg. Darauf erklärt Österreich-Ungarn dem Königreich Serbien den Krieg. Innerhalb kurzer Zeit mobilisierten Österreich, Russland, Deutschland, Frankreich, England und weitere Staaten ihre Streitkräfte. Jede dieser Staaten hatte die Ansicht, dass ihnen der Krieg aufgezwungen worden sei. In der Ausstellung hört man die Rede von Kaiser Wilhelm II. an das deutsche Volk zum Kriegsbeginn im Original. Grundtenor: Wir müssen uns ehrenhaft wehren oder wir gehen unter. Das Bild „Germania“ drückt diese Haltung ebenfalls aus: Wir wehren uns! Innenpolitisch hat Wilhelm II. mit dem Kriegsbeginn den Burgfrieden erhalten: Jetzt ist man sich einig ob dem gemeinsamen Feind.
Aber der Krieg entwickelt sich schnell zu einem Debakel auf allen Seiten: Die Fronten kommen schnell zum Stillstand. Der Blitzangriff über Belgien durch Frankreich (schon 1905 geplant) kommt schnell zum Erliegen. Schützengräben, Gasangriffe, Vergeltungsaktionen an der Zivilbevölkerung, Luftschlachten, Seeschlachten bestimmen das Bild. 17 Millionen Tote fordert der Krieg. Millionen Verletzte werden gar nicht gezählt. Ein eindrücklicher Film von Kriegsgeschädigten wird in der Ausstellung gezeigt: Körperliche Schäden wie Amputationen und Gesichtsverstümmelungen. Aber auch psychische Störungen wie Zittern oder Krämpfe. Der Erste Weltkrieg ist auch der erste Maschinenkrieg: Jetzt gilt es mit Technik und Massenprodukten (dazu wurden übrigens auch die Soldaten gezählt) aufzufahren. "Null-acht-fünfzehn" ist hier in Aktion: Das deutsche Maschinengewehr. Die ersten Bomben werden aus Flugzeugen abgeworfen und Flugzeuge liefern sich Gefechte. Die ersten Panzer, die Tanks, fahren auf, U-Boote versenken gegnerische Schiffe. Die Industrialisierung macht eine Massenproduktion von Munition und Waffen möglich. Aber der Krieg verschlingt auch ungeheuer viele Ressourcen. Hunger herrscht. Infolge von Unterernährung sterben in Deutschland rund 750‘000 Menschen. Die täglichen Entbehrungen, die hohe Opferzahl an der Front, der stagnierende Kriegsverlauf verstärkten bei immer mehr Deutschen den Wunsch nach Frieden und Normalität.
Vor allem linke Kräfte organisieren schon 1916 Streiks und wollten eine Veränderung. Aber Widerstand gegen die Kaiserliche Führung - Leitfiguren waren nicht primär der Kaiser, sondern Generalfeldmarschall Hindenburg und General Ludendorff - war Vaterlandsverrat.
Russland hat 1917 seine Revolutionen. Die neue kommunistische Regierung (Lenin, Trotzki) handelt einen Waffenstillstand mit Deutschland aus. An der Ostfront ziehen die Soldaten ab. Die Deutschen ziehen an die Westfront um da endlich den entscheidenden Schlag zu vollbringen. Aber hier haben sich unterdessen die Amerikaner dazugestellt und Deutschland ist kein Erfolg beschieden. Die Oberste Heeresleitung fordert in dieser militärisch ausweglosen Situation einen Waffenstillstand. Wenn man die Situation bedenkt, wird man die Dolchstosslegende als Legende erkennen. Denn eine Weiterführung des Krieges hätte nur noch mehr Opfer gefordert. Deutschland war erschöpft. Die Konsequenzen waren richtig: Waffenstillstand, Kapitulation, Rückzug der Armee, Kaiser dankt ab. Am 9. November 1918 wird die Republik ausgerufen.
Dienstag, 10. Juni 2014
Deutsches Historisches Museum Nr. 02
In der französischen Revolution (1789) kann man die aufkommenden Selbstbestimmungswünsche des Volkes spüren. Durch das aufgeklärtere Denken emanzipiert sich der Mensch. Führerrollen werden in Zukunft immer deutlicher in Frage gestellt – obschon es noch mehr als 100 Jahre brauchen wird, bis neue Gesellschaftsformen und vor allem Regierungsformen sich etablieren können. Demokratische Prozesse kommen in Gang und werden immer wieder von den Machthabern zurückgedrängt – nicht selten mit Waffengewalt. Manche der neuen Ideen werden sich nicht bewähren. So sind zwar die theoretischen Aussagen eines Karl Marx durchaus wertvoll, nur sind sie nicht dem Leben dienlich.
In Frankreich endet die Revolution mit der Machtergreifung Napoleons. Dieser Herrscher (vergleiche Augustus…) führt das Volk nun gleich in den Krieg. Ihm folgten auch Teile Deutschlands. Er scheitert bekanntlich im Russlandfeldzug und wird dann in Frankreich soweit bedrängt, dass er in der Verbannung endet. Dieses Machtgehabe Napoleons und Frankreichs beeinflusste ein grosser Teil Europas: Nationale Gefühle wurden geweckt – auch gerade als Gegenreaktion auf das Machtgehabe Frankreichs.
Die Industrialisierung (England als Vorbild) nahm auch in Deutschland Einzug und veränderte die Gesellschaft massiv. Jetzt wurden Patrons mächtig. Geld konnte entscheiden und herrschen. Der alte Adel wurde in den Hintergrund gedrängt und die neuen Oelbilder zeigten Portraits von Industriellen. Dampfschiffe wurden gebaut, Eisenbahnen erleichterten das Reisen. Der Horizont wurde für eine grössere Bevölkerungsgruppe geöffnet. Viele wanderten aus: Vor allem nach Amerika. Die Industrialisierung brachte auch mit sich, dass eine grosse Bevölkerungsgruppe ausgebeutet wurde. Währenddem die Oberschicht im Park lustwandelte, erkrankten die Arbeiterkinder in den feuchten Mietskasernen. Schlechte Arbeitsbedingungen schürten die Entwicklung zum aktiven Widerstand. Linke Arbeiterbewegungen entstanden. Gewerkschaften organisierten sich. Etwas mehr Gerechtigkeit in der Verteilung des Materiellen wurde hart erkämpft.
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wurde 1806 aufgelöst. Der Wiener Kongress von 1814/15, an dem fast alle Staaten Europas teilnahmen, legte die Grundlagen des neuen Europas nach den kriegerischen Handlungen Napoleons. In all den Wirren dieser Zeit zeigt sich, meines Erachtens, die Idee von Metternich, dass es ein ausgewogenes Kräftegleichgewicht in Europa braucht, als wohl beste Grundvoraussetzung für Frieden und eine gerechtere Zukunft. Nicht Gleichheit kann Frieden schaffen, sondern ein kluger Umgang mit der Verschiedenartigkeit. Dabei sollte man vor allem auf den Ausgleich zwischen den Polen (gross/klein, arm/reich) bedacht sein. Leider konnte das „System Metternich“ nicht gut mit den sozialen Veränderungen und den daraus resultierenden Forderungen umgehen.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Reformen in vielen europäischen Staaten geboren. Oft durch Revolutionen und gewalttätige Kämpfe. In den Völkern gärte der Wunsch nach einem je eigenen Nationalstaat. Viele der nationalen, sozialen und liberalen Bestrebungen scheiterten aber am Widerstand der restaurativen Kräfte. In Deutschland stand lange die Rivalisierung von Österreich und Preussen der Bildung eines nationalstaatlichen Gebildes im Weg. Der Prozess in Deutschland fand in folgenden Schritten statt: Deutsche Revolution 1848/49; Deutscher Krieg 1866; Norddeutscher Bund 1867; Deutsch-Französischer Krieg 1870/71. 1871 wurde dann das Deutsche Kaiserreich proklamiert: Kaiser Wilhelm I. und Otto von Bismark als Reichkanzler waren die führenden Männer. Ab 1888 regierte Kaiser Wilhelm II. alleine. Er ist wohl auch in die Reihe der „Augustustypen“ einzufügen. Deutschland entwickelte sich zur stärksten europäischen Industrienation. Der Kaiser wollte „Weltgeltung“ für Deutschland. Deutschland legte sich nun auch seine Kolonien in Afrika zu. Das aber brachte Deutschland in eine politische Aussenlage. Am Vorabend des 1. Weltkrieges war nur auf Österreich-Ungarn als Bündnispartner Verlass.
Montag, 9. Juni 2014
Deutsches Historisches Museum Nr. 01
Das Deutsche Historische Museum Berlin ist absolut einen Besuch wert. Hier erfährt man die Deutsche Geschichte in chronologischer Reihenfolge überaus reich mit meist originalen Ausstellungsstücken (z.B. Bild von Lucas Cranach d.Ä.: Portrait von Martin Luther 1529) dargestellt. Ich schaffte es beim ersten Besuch nur bis zur „Herrschaft der Vernunft“ zur Zeit der Aufklärung, bis 1789. Das Museum, im alten Zeughaus eingerichtet, entstand aus der Zusammenführung der bestehenden Geschichtssammlung der DDR und einer 1987 begonnenen Initiative von Bund und dem Land Berlin zum Aufbau eines Historischen Museums. 2006 konnte das Museum eröffnet werden. Interessant ist, dass sich die Aussteller anhand von folgenden Fragen orientierten: „Deutschland – wo liegt es? Die Deutschen – was hielt sie zusammen? Wer herrschte, wer gehorchte, wer leistete Widerstand? Woran glaubten die Menschen, wie deuteten sie die Welt? Wovon lebten die Leute? Wer mit wem gegen wen? Konflikt und Kooperation in der Gesellschaft. Was führt zum Krieg, wie macht man Frieden? Wie verstehen die Deutschen sich selbst?“ Und auf all diese Fragen bekommt man in der Ausstellung Antworten indem man sich selber mit dem Gegebenen auseinandersetzt. Doch die Fülle ist nicht zu bewältigen: Schon nur die 750‘000 ausgestellten Objekte haben jedes für sich eine Geschichte und wären es wert, darauf einzugehen. Und so wird meine Deutsche Geschichte auch wieder eben nur meine sein.
Um die Zeit von Christi Geburt lebten im Norden Mitteleuropas die Germanen und im Süden und Westen die Kelten. Die Römer drangen in das keltische Gebiet ein und beherrschten es bis ins 5. Jahrhundert. Die Germanen drängten die Römer zurück. Die römische Kultur aber blieb hängen. Das Mittelalter wird durch diese Kultur, die ja auch die Christliche Kirche integriert hatte, geprägt. Papst und Kaiser – das war im Mittelalter der grosse Konfliktherd in Europa. Es fällt auf, wie stark die Kirche die politischen Veränderungen gestaltete: Orden, Kriege, Missionierung waren oft verantwortlich für politische, territoriale Grenzveränderungen. Im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ (ab 1474) bestand dieses Reich weiter und ging erst 1806 in den Napoleonischen Kriegen unter. Es gab in den Wirren der Reformation und den Auseinandersetzungen mit andern europäischen Mächten ein Mass an Staatlichkeit, dass diese Herausforderungen durchgestanden wurden. Dabei herrschte die Vorstellung – geprägt durch die christliche Verkündigung – dass die Deutsche Nation, als Fortsetzung des Römischen Reiches, Träger des vom Propheten Daniel prophezeiten letzten Weltreiches sei. Dieses letzte Weltreich wurde auch schon anderen Reichen und Zeitepochen zugeteilt und war immer irgendwie daneben. Alle Prophetien sind falsch, bis plötzlich eine richtig ist…
Bevor Luther seine Bibelübersetzung herausgab, bestanden schon 18 deutsche volkssprachliche Bibeln. Der Reformation und der Gegenreformation wird der gebührende Platz eingeräumt. Auch die Täufer werden erwähnt und auf einer Europakarte werden die Gebiete in denen die Täufer lebten bezeichnet.
Ende 15. Jahrhundert begann auch die Entdeckung der Welt. Seefahrer brachten immer neue Kunde von Weltteilen die bis dahin unbekannt waren. Die Weltkarte veränderte sich laufend. Und der Handel mit Gütern aus fernen Ländern blühte auf: Europa bereicherte sich und die Teile der Welt, die unter den Kolonialherrschaften standen, wurden ausgeplündert.
Um 1600 verschärften sich die politischen und religiösen Gegensätze. Polemik und Fanatismus heizten ein. Endzeitstimmung kam auf. Hexenangst und Judenhass griffen um sich. Und eine Wirtschaftskrise lähmte. Der Dreissigjährige Krieg begann. Erst der „Westfälische Friede“ von 1648 schuf eine neue europäische Ordnung. Der Krieg hatte die Gesamtbevölkerung von 17 auf 10 Millionen Menschen reduziert. Viele Dörfer und Städte in Deutschland waren zerstört (vergl. Paul Gerhardt). Das Reich bestand jetzt aus souveränen Fürstenstaaten mit dem Kaiser als Garant nach aussen. Österreich und Preussen gerieten ab 1740 in einen machtpolitischen Streit. Die fünf europäischen Grossmächte waren nun England, Frankreich, Österreich, Preussen und Russland. Der Expansionsdrang dieser Länder zeigte sich bei Frankreich und England in Übersee und bei den andern Dreien in Polen.
In der „virtuellen Bibliothek“ ganz am Anfang des Ausstellungsparcours gibt es einen PC-Terminal zu den alten deutschen Sprachen. Hier kann man zum Beispiel das „Vater unser“ in Althochdeutsch lesen und hören. Aus der „Wiener Genesis“ (Vers 130ff. 1070 n.Chr./Wien) wird eine köstliche Beschreibung der Hand und der Aufgaben der Finger in Mittelhochdeutsch gelesen. Hier, übersetzt, ein Ausschnitt: „Der kleinste Finger hat keine andere Aufgabe als, wenn es notwendig ist, im Ohr zu grübeln, damit es genau hören könne, was jemand sagt.“
Goethe, Schiller, Klopstock, Herder, Lessing und Zeitgenossen sind auf einer Galerie erhöht untergebracht. Und ich erwarte nun die Französische Revolution – wieder unten, gleich um die Ecke.
Gottesdienst Nr. 15
Schon am vergangenen Sonntag wurde er angesagt: Der erste Currywurst-Gottesdienst in Berlin. Ich war ja gespannt, wie Pastor Hölzemann die Verbindung von Pfingsten, Heiligem Geist und Currywurst herstellen wird. Es gelang ihm hervorragend mit einer Predigt in der Würste die Hauptdarsteller waren.
Der Gottesdienst fand im wahrsten Sinn des Wortes unter freiem Himmel statt: kein Dach, keine Wolken, dafür Vogelgezwitscher aus den Bäumen im Park der Stadtmission. Der Himmel war frei, und wir konnten mit Gott zusammen feiern. Thomas Hölzemann fragte: „Was macht eine gute Currywurst aus? – Was macht Pfingsten aus?“ Jeder hat so sein (Geheim-) Rezept. Die Geschichte von Wolli (nicht Willi) der Wurst, die gerne eine Currywurst wäre, zeigte uns, dass wir eine Bestimmung von Gott haben. Diese Bestimmung zu erreichen und zu leben gelingt nur, wenn wir uns als Menschen von und für Gott erkennen und von Gott gekauft und zubereitet werden. Reinhard May habe mal gesungen: „Wir sind alle kleine Würstchen“. Ja, wäre da nicht diese Idee Gottes für uns: Unsere Bestimmung. Wir sind gut geschaffen. Aber wie kommen wir in unsere Bestimmung hinein? Er, Jesus, kommt herein, wählt uns, bezahlt und nimmt uns mit, bereitet uns zu. So nimmt Gott Raum ein in unserem Leben. Das ist die Erfüllung mit dem Heiligen Geist. So entstehen dann auch die Früchte des Heiligen Geistes wie sie in Galater 5 aufgezählt sind. Ein praktischer Tipp dazu: Wir rennen nicht im Heiligen Geist, wir schlendern nicht im Heiligen Geist, nein, wir wandeln im Heiligen Geist. In diesem Wort „wandeln“ ist viel Gelassenheit ohne Nachlässigkeit. Da ist auch etwas von Verwandlung drin. Prozessartige Veränderung. Umgestalten lassen. Vertrauen. Hingabe an den Meister des Lebens.
Ja klar, anschliessend gab‘s Currywurst.
Samstag, 7. Juni 2014
Humor Nr. 06
Kaiser Augustus
Mars und Minerva im Brandenburger Tor
Ein Mitarbeiter der Stadtmission hat mir vom neuen Heft „Zeitgeschichte“ von der Zeitung „Die Zeit“ berichtet. Es ist dem ersten Römischen Kaiser Augustus gewidmet. Dieser Kaiser, von dem in der Bibel berichtet wird: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ (Lukas 2,1) hat eine ungeheure Wirkungsgeschichte entfaltet. Ich habe mir nun das Heft auch gekauft und es gelesen. Berlin war zu dieser Zeit ein unbedeutendes Dorf, wenn es überhaupt eine Siedlung hier gab. Zudem war es ausserhalb des damaligen Römischen Imperiums. Aber Augustus (Octavian; 63 v. Chr. Bis 14 n. Chr.) und das Römische Reich färbten ab und beeinflussten das Denken auch hier. Augustus ist der Inbegriff des Herrschers, des Imperators, des Diktators, des Kaisers. Und alle nachfolgenden Herrscher haben sich mehr oder weniger an Augustus orientiert. Das sieht man beispielsweise in der Architektur der Mächtigen: Immer wieder diese antiken Säulen, die riesigen Bauten, die breiten Strassen. Und das Volk irgendwie untergepfercht in engen Quartieren.
Die Kriege der Neuzeit werden vor allem mit Argumenten von Recht und Unrecht begründet. Oft sind es echte oder vorgeschobene Abwehr- oder Verteidigungsgründe. Sich wehren. Wehrhaft sein. Seine Frau, seine Kinder beschützen. Sein Haus, seine Stadt, sein Land verteidigen. Für Vaterland und Heimat einstehen, damit das erhalten bleibt. Seinen Platz verteidigen. Die Kriege der Antike übers Mittelalter bis hin zu Kriegen der Neuzeit hatten manchmal auch diese Gründe. Mir scheint aber, dass Landgewinn, Machtgewinn, mehr Herrschaft, mehr Einfluss, Gewinn an Gütern, Vermehrung des Reichtums die wichtigeren und häufigeren Motive waren. Kriege der Neuzeit wurden und werden zwar mit Verteidigung seines eigenen Rechtes begründet. Im Hintergrund waren aber dann gleichwohl (oft? meist? manchmal?) die Gründe der alten Zeit die treibende Kraft. Auf jeden Fall hat die jeweilige Gegenseite diese Gründe gebraucht um ihrerseits wieder, ach so edel, sich zu verteidigen. Man kann das als typisch menschliche Art die Dinge zu klären hinnehmen. Aber es ist eben doch ein unterentwickeltes Verhalten. Es ist ein grausames Spiel um Macht und Einfluss, Güter und Land, das Millionen Tote und noch mehr Verletzte, körperlich und psychisch Geschädigte hinterlässt. Eine Gesellschaft die in einen Krieg verwickelt war, ist immer körperlich und psychisch geschädigt. Für die körperlichen Schäden kann man einigermassen aufkommen. Was die psychischen Schäden anbelangt, scheint mir die Hilfe nicht weit her zu sein. Wenn man bedenkt, dass die Auswirkungen eines Krieges auch das kollektive Bewusstsein prägen und langfristige Folgen in allen Entscheidungen der Gestaltung der Gesellschaft haben, wünsche ich mir nur eins: Frieden. Die Hauptantriebe für Kriege sind Verlustängste. In die kann man sich soweit hineinsteigern, dass man gewaltsam handelt. Demgegenüber ist es hilfreich, wenn ich frei bin von falschen Existenzsicherungen. Wenn ich in Jesus bin, brauche ich keinen Krieg um mich und mein Anvertrautes zu erhalten. Soweit muss sich sein Wort bewahrheiten.
Augustus sah sich selber als göttliches Oberhaupt. Mehr und Grösseres als ihn gab es (für ihn und einer grossen Masse des Volkes) nicht. Er hatte den Römern den Frieden gebracht, indem er gewaltsam die Bürgerkriege beendete und das fand das Volk gut und recht und unterstützte ihn. Für was? Damit er seine skrupellosen Herrschaftsallüren fortsetzen konnte und mit brutaler Gewalt sein Imperium ausbauen konnte. Seine Gegner liess er meist gleich umbringen. Jeglicher Ansatz, ihn irgendwie zu bedrängen, zu kritisieren oder gar anzugreifen erstickte er im Keim. Augustus war ein eher kleiner, schwächlicher, kränklicher Mann. Hier sind wohl die tieferen Gründe seines brutalen Handelns zu suchen.
Und wie das bei allen diesen Herrscherfiguren zu finden ist – es gibt auch die andere Seite: Der gütige Mensch, der Bescheidene, der, der 52 Jahre mit der gleichen Frau (und wechselnden Mätressen) verheiratet war, der für die Stadt Rom die Wasser- und Abwasserversorgung zum Funktionieren brachte, der ein Bad für das Volk baute, usw.
Zitat aus dem Heft Seite 72: „Sueton berichtet ausserdem, dass sich Augustus alljährlich für einen Tag als Bettler in die Öffentlichkeit begeben habe. Damit habe er die Rachegöttin Nemesis besänftigen wollen, die von jeher die allzu Hochmütigen und Stolzen heimsuchte.“
Wahrscheinlich ist kein Mensch dazu fähig und gedacht, dass er über so viel Macht und Führungsgewalt verfügen kann, wie diese Machtmenschen à la Augustus konnten.
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