Dienstag, 13. Mai 2014
Medizinhistorisches Museum
Die Berliner Charité ist eine berühmte Universitätsklinik in der Rudolf Virchow (1821-1902) unter den grossen Namen die hier tätig waren, hervorsticht. Virchow war hier Arzt und Begründer der modernen Pathologie. Sehr umtriebig hat er die bis daher geltende Viersäftelehre in Richtung Zellenlehre gelenkt. Er hat fleissig Leichen seziert – ungefähr zwei pro Tag, hat viele Präparate zu einer Ausstellung zusammengestellt und war auch in der Stadt Berlin bei einigen wichtigen Projekten massgeblich beteiligt. So hat er die Kanalisation von Berlin initiiert. Zu Virchows Zeit war die Sammlung von menschlichen Präparaten äusserst beliebt. Natürlich war sie vor allem für die Medizinstudenten da. Aber auf einem Stockwerk wurde die Sammlung auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie war immer am Sonntagmorgen geöffnet, weil Virchow ein vehementer Gegner von Kirche und Christentum war. So machte er die Präparaten Sammlung zur Konkurrenz des Gottesdienstbesuches. Es sollen an manchen Sonntagen bis zu 300 Besucher gekommen sein.
Ich habe eine Führung mit Tom gebucht. Tom ist sehr gut bewandert in der Medizingeschichte und die Führung war so interessant, dass sie auch gleich eine halbe Stunde länger dauerte als geplant. Aber es war nie langweilig. Denn Tom verstand es in allen Einzelheiten zu schildern, wie früher Bader die Leidenden auf einem Tisch festbanden und die Blasensteine ohne Betäubung entfernten. Überhaupt zeigte sich, dass erst mit der Narkose der grosse Durchbruch der Chirurgie begann. Vorher war es einem Mediziner nicht gestattet „Hand anzulegen“, respektive es war schlichtweg unter seiner Würde handwerklich tätig zu sein. Mit der Narkose wurden schnell neue Operationstechniken erfunden und die entsprechenden Bestecke hergestellt. Auch das Röntgen war ein grosser Durchbruch. Nun konnte man in den Menschen hineinsehen. Das wurde in den ersten Jahren auch exzessiv genutzt. Mancherorts wurden gar öffentliche Veranstaltungen durchgeführt, in denen mittels Röntgengeräten und fluoreszierenden Leinwänden Menschenskelette auf der Bühne tanzten. Ausserordentlich interessant fand ich auch die „Eiserne Lunge“. Eine Maschine die tatsächlich so von den Drägerwerken in Lübeck benannt wurde. Es ist eine Beatmungsmaschine die auf den Körper (ausser dem Kopf) abwechslungsweise einen Unter- und Überdruck erzeugt und so die Lunge bewegt. Vor allem zur Zeit der Polioepidemien wurde diese Maschine massenhaft eingesetzt. Erst die Polioimpfung machte sie überflüssig. Tom machte uns damit auch auf einen Trend aufmerksam, der in unseren Breitengraden immer mehr zunimmt: Man lässt sich und seine Kinder nicht mehr Impfen. In Deutschland weiss man, dass sich Polio bis zu einer Durchimpfung der Bevölkerung von 71% nicht gross verbreitet. Wenn die Durchimpfungsrate darunter fällt, geht es los. Zur Zeit ist die Durchimpfungsrate etwas über 72%. Auch andere Krankheiten sind wieder im Vormarsch: Tuberkulose, Röteln, Diphterie. Alles Krankheiten die man zuverlässig impfen kann. Aber in Deutschland besteht zur Zeit das Dilemma, dass die Impfungen erstens freiwillig sind und zweitens die Finanzierung oft nicht gesichert ist, da sich Krankenkassen und der Staat lieber nicht daran beteiligen wollen.
Die Präparate sind sorgfältig ausgewählt (Die meisten Präparate des Museums sind im Keller gelagert und nicht zugänglich) und logisch aufgebaut. Pro Schaukastenreihe wird ein Organ dargestellt. Zuerst gesund, dann krank und zuletzt wird ein Krankheitsverlauf genauer beleuchtet.
Die Hörsaalruine (der ehemalige Hörsaal von Rudolf Virchow) mit den alten Backsteinmauern wird gerne für Feste und auch Filmaufnahmen gebucht. Er ist in seinem Zustand ein Überbleibsel aus dem Krieg, provisorisch damals mit einer Betondecke versehen aber ohne Fenster belassen. Ein Paradies für Vögel und ihre Nester. Dann hat man die Fenster eingesetzt, den Raum gereinigt, technische Anlagen und Heizung eingebaut und so steht er nun zur Verfügung.
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