Montag, 26. Mai 2014

Stasi Gefängnis





In Berlin-Hohenschönhausen befindet sich ein grosses Gelände, das zur DDR Zeit Sperrgebiet war. Kein normaler Bürger durfte dieses Gelände betreten. Grund dafür war, dass hier das Stasi-Gefängnis war. Ebenfalls im Sperrgebiet waren die Wohnhäuser der Stasimitarbeiter dieses Gefängnisses. So wohnte der Stasi-Psychiater gleich neben der Gefängnismauer in einem Einfamilienhaus. Übrigens lebt er immer noch dort – und führt eine eigene Praxis… Rund 2‘500 Mitarbeiter wohnten hier.
Der Kern der Anlage wurde in der Nazizeit 1939 als Grossküche gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bauten zu einem sowjetischen Sammel- und Durchgangslager und dann zum zentralen sowjetischen Untersuchungsgefängnis für Ostdeutschland ausgebaut. 1951 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Gefängnis und nutzte es bis 1989 als zentrale Untersuchungshaftanstalt.
Ab 1947 mussten Häftlinge im Keller des Fabrikgebäudes fensterlose Zellen errichten: Das sogenannte „U-Boot“. Die Zellen waren (und sind) feucht und kalt. Eine Holzpritsche, 168cm lang diente als „Bett“, ein Blechkübel mit Deckel war die Toilette, pro Tag und Häftling gab es ein Blatt Toilettenpapier, in unregelmässigen Abständen konnten die Häftlinge ca. alle drei Wochen einmal duschen und das war dann auch ihr „Freigang“. Durch das ständig brennende Licht, den Schlafentzug und die nächtlichen Verhöre, auch durch andere Foltermethoden wie Übergiessen mit Wasser (die Kleider trockneten in den feuchten Zellen kaum) wurden Aussagen erzwungen. Es gab viele Suizide und das vor den Augen der hilflosen Mithäftlinge. Häftlinge waren NS-Verdächtige, Angehörige demokratischer Parteien, auch Kommunisten und sowjetische Offiziere die nicht linientreu waren. Dieses Stalin-Gefängnis war schlechter als die Gefängnisse zur Kaiserzeit (vergleiche Moabit-Gefängnis).
Ab 1951 übernahm die Stasi das Gefängnis. Es waren die unterschiedlichsten Häftlinge da: Streikführer des Aufstands vom 17. Juni 1953, Reformkommunisten oder auch Anhänger der Zeugen Jehovas. Einzelne SED-Kritiker aus dem Westen wurden in den Osten entführt und hier ins Gefängnis gebracht. Ende der 50er Jahre wurde ein Neubau mit über 200 Zellen und Vernehmungsräumen gebaut. Nun wurden hier vor allem Menschen eingesperrt, die versucht hatten in den Westen zu fliehen oder sich politisch nicht parteikonform geäussert hatten. Nun wurde mit psychologischen Mitteln gefoltert. Die Häftlinge wussten nicht wo sie waren. Sie waren isoliert, durften nicht miteinander reden, konnten nur durch vergittertes Milchglas eine Aussenwelt erahnen, die Lüftung der Zelle geschah indirekt mit einem Schieber geregelt. Wenn man nicht in Einzelhaft war, wohnte man „in einem WC mit zwei oder vier Betten“. Alle mussten – und das wurde kontrolliert! – auf dem Rücken mit den Armen parallel zum Körper schlafen. Drehte sich jemand im Schlaf um, wurde er mit Klopfen an die Zellentüre geweckt und es wurde gebrüllt: „Schlafordnung einnehmen!“. Es gab hier „Freigangzellen“, sogenannte „Tigerkäfige“. Denn sie waren so klein, dass die Häftlinge sich wie Tiger im Zoo bewegen mussten. Eindrücklich ist der Verhörtrakt. Hier reihen sich die Zimmer aneinander, die schalldicht gebaut sind, die büroähnlich mit Tisch und Stühlen, Telefon und Schrank ausgestattet sind – in denen aber stundenlang mit raffinierten Methoden die Menschen eingeschüchtert und zu Aussagen gezwungen wurden. Beispiel: „Wenn sie nicht aussagen, müssen wir noch jemanden verhaften.“ Zweites Beispiel: Der Gefangenen wird ihr Lieblingstee serviert, obschon sie das nie kundgetan hat. Woher wissen die, welchen Tee sie liebt? Die Frau erfährt nach der Wende aus den Stasiakten woher. Ihr Ehemann war für die Stasi tätig ohne dass sie es wusste. Er liess sich darauf hin von ihr scheiden.
Das Gefängnis ist im Original erhalten. Auch der Rosengarten im Hof. Er war für die Stasi angelegt worden. Die Gefangenen bekamen ihn nie zu sehen. Die Stasi entwickelte eine eigene Sprache. Beispiel: „operativ“ hiess „geheimdienstlich eingreifend“.


1953 wurde die Grossmutter unseres Ausstellungsführers verhaftet. Sie war damals 59 Jahre alt. Grund: „Gefährdung des Weltfriedens, Vorbereitung eines Weltkrieges, Unterstützung von feindlichen Kräften“. Sie war Mitglied bei den Zeugen Jehovas. Sonst nichts. Er selber wollte als 19-jähriger aus der DDR flüchten. Das misslang und er wurde 10 Monate inhaftiert. Dann wurde er von der BRD für umgerechnet 70‘000 Euro freigekauft – oder man kann auch sagen von der DDR für dieses Geld verkauft. Es wurden in den 80er Jahren vermehrt Menschen inhaftiert und in den Westen verkauft. Das gab die dringend benötigten Devisen. In seiner Stasiakte standen Dinge wie „kurze Finger, hohe Stirn“. Wenn man diese Akte liest, erfährt man auch etwas über das Bildungsniveau der Beamten. So steht in seiner Akte: „J ist intelligend.“ (Wahrscheinlich dachte der Stasibeamte an das Ende….).
Nach der Wende wurde das Gefängnis noch kurz für die Stasimitarbeiter genutzt. So war hier 1990 Erich Mielke inhaftiert (ja, in seinem eigenen Gefängnis!). Er hat sich über die Haftbedingungen beschwert.
Diese Gedenkstätte ist sehr wichtig. Gemäss unserem Führer wird von vielen Bewohnern gerade hier in der Umgebung des Gefängnisses das Geschehene ausgeblendet, verdrängt, beschönigt oder auch geleugnet. Es ist Touristen passiert, als sie nach dem Weg zu dieser Gedenkstätte fragten, dass sie in die entgegengesetzte Richtung gewiesen wurden.
Die Frage bleibt: Wie konnte es soweit kommen? Und was können wir daraus lernen, damit sowas nicht wieder geschieht? Menschen einengen, kontrollieren zu wollen, sie zu beherrschen – das entsteht immer wieder in der Gestaltung des Zusammenlebens. Denn totale Freiheit – im Sinn „mir sind nirgendwo Grenzen gesetzt“, gibt es nicht. Dem ist aber sorgfältig zu begegnen indem jedermann gut hinschaut und sich nicht bequem treiben und führen lässt. Und es ist jedem übertriebenen Machtanspruch entschieden entgegenzutreten. Schief läuft es, wenn die Zustände wie in der DDR werden/sind: Keine öffentliche Meinungsfreiheit, keine Meinungsvielfalt in den Medien, Einschränkung der Reisefreiheit, Propaganda des Staates „die einzig wahre Gesellschaftsordnung“ zu sein und zugleich Mangelversorgung in jeder Hinsicht zu haben, Misstrauen des Staates gegenüber seiner Bürger, keine privaten Vereine/Institutionen und Verehrung der hohen Politiker. Solange Gegenpole leben und sich äussern dürfen, kann Macht bestehen bleiben. Der Machthabende muss Qualifikationen haben: Er muss sich selber als Lernender verstehen dem auch Kritik entgegengebracht werden kann und der diese reflektiert, verarbeitet (nicht unbedingt alles für sich übernimmt) und sich mit seinen Kritikern versöhnlich weiterbewegt. Denn auch die Kritiker können Machtmenschen sein oder werden. Die Gefahr des Grössenwahns lauert überall.
Quellen: Faltprospekt der Gedächtnisstätte; Cliewe Juritza, Hardburg Stolle: Als die Berliner Mauer noch kein Denkmal war, 2008.

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