Sonntag, 18. Mai 2014

Schweizer Botschaft


Mit Daniel Rebmann, Architekt, besichtigen wir die Aussenseite der Schweizerischen Botschaft.
Das Urteil der meisten Leute lautet: „Schrecklich wie dieses Botschaftsgebäude aussieht!“ „Es symbolisiert einen Tresor, einen Schweizer Banksafe.“ „spröde.“ „Der Anbau: Charme einer Justiz-Vollzugsanstalt.“
Aber: „Der erste Blick reicht nicht zum Verlieben aus.“ So eine Journalistin der Frankfurter Allgemeinen. Es braucht etwas Wissen, um diesem Gebäude näher zu kommen. So lasse ich mich von Daniel Rebmann einige Details erklären.
Das Gebäude wurde 1870/71 im Zuge einer Überbauung des Geländes als herrschaftliches Haus für Friedrich Frerichs, Arzt (unter anderem Direktor an der Charité) errichtet. 1919 kaufte die Schweizerische Eidgenossenschaft das Gebäude und es diente darauf als Kanzlei für die Schweiz. Hitler liess die Gebäude auf dem Gelände abreissen, weil er für seine „Welthauptstadt Germania“ hier das Zentrum errichten wollte. Die Bombardierungen der Alliierten im April 1945 zerstörten noch den Rest dieser Überbauung. Das Gebäude der heutigen Schweizer Botschaft aber blieb als einziges stehen. Dazu gibt es die Geschichte des Hausmeisters. Er soll vor den Bombardierungen das Treppenhaus mit Sand gefüllt haben und so eine Stabilisierung des Gebäudes gegen Bombenschäden vollbracht zu haben.
1992 wurde das Konsulat zu einer Aussenstelle der Botschaft in Bonn. Nach umfangreichen Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten wurde die Schweizerische Botschaft 2001 von Bonn in dieses Gebäude verlegt.
Da das Gebäude ursprünglich ein Teil einer ganzen Häuserzeile war, wollten die Architekten das mit dem Anbau zum Ausdruck bringen. Die westliche Fassade wurde mit einem Betonrelief von Helmut Federle, Wien, gestaltet. Die Reliefstruktur will die Fassade des Altbaus übernehmen und in einer zeitgemässen Form wiedergeben. Ebenso übernimmt der Anbau im Osten die Fensteranordnung des Altbaus. Dieser Anbau ist aus einem Betonguss gebaut. Die Fenster der Ostfassade sind zueinander leicht versetzt. Das bewirkt eine optische Auflösung einer ansonsten harten Geometrie. Die Nordfassade des Anbaus übernimmt ganz die Fensteranordnung des Altbaus.
Sicher hätte man den Anbau getreu der alten Fassade nachbauen können. Man hätte ein homogenes Gebäude ohne Störung. Aber die Störung durch die Spannung von alt und neu muss sein. Das Haus steht in einer Geschichte von solchen Störungen. Wir leben heute mit dieser Geschichte und leben heute ebenso in Spannungen. Spannungen auflösen, vor allem wenn sie zu schnell aufgelöst werden, ist meist nicht hilfreich. Denn da geht mehr kaputt als dass etwas Konstruktives entsteht. So „stört“ die Schweizer Botschaft die ansonsten so perfekt gestaltete Kanzler- und Reichstagsumgebung. Übrigens wohnt der neue Botschafter mit seiner Familie in diesem Gebäude. Und da er Kinder hat, gibt es im Botschaftsgarten nun auch Kinderspielgeräte.
In der Mitte Berlins gibt es ja viele Botschaftsgebäude. Die Russische Botschaft spielt grossartig mit einer parkähnlichen Vorfahrt und goldbestückten Eingangspforten auf. Die Amerikanische Botschaft hat sich hinter Absperrungen, Überwachungskameras und patrouillierenden Polizisten verschanzt und das Dachgeschoss erinnert mich an den Aufbau eines Kriegsschiffes. Ja, Botschaften vermitteln Botschaften.

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